15 Minuten lang habe ich kein Deutsch gehört, nachdem ich in Mülheim (Ruhr) aus dem Zug gestiegen bin. Mein Weg führte mich durch eine Fußgängerzone, die am Abend noch recht belebt war. Doch ich habe mich wie in Bulgarien gefühlt, wo ich lebe: um mich herum nur Menschen, die ich nicht verstehe.
Das hat mir keine Angst gemacht. Es hat mir eher Ruhe gegeben, weil ich nichts von den Geschichten der Menschen mitbekommen habe. Überrascht hat es mich dennoch. Und ich habe mich gefragt: Was ist hier passiert und passiert noch weiter?
Der Begriff, der mir sofort in den Kopf kam: Kolonialisierung. Nicht Kolonialismus, aber immer noch Kolonialisierung. Es fand und findet eine “Ausweitung von Siedlungsgebiet” statt. Menschen, die “ursprünglich” nicht in Deutschland lebten, ziehen dorthin. Sie breiten sich aus ihren Heimatgebieten aus nach Deutschland.
Ich versuche, das so neutral wie möglich zu formulieren. Mir geht es nicht um eventuelle politische Triebkräfte hüben wie drüben. Ob eine Anwendung von “weapons of mass migration” vorliegt, vermag ich nicht zu sagen. Mir geht es um den Effekt.
Was passiert, wenn Arten sich in neue Lebensräume ausbreiten? Was passiert, wenn Menschen ganz anderer Kultur sich neue Siedlungsgebiete suchen?
Das ist durch die Menschheitsgeschichte schon unzählige Male geschehen. Was wir heute für einheimisch halten, ist womöglich vor 70 oder 150 oder 300 Jahren dennoch aus einer Vermischung von damals Einheimischem mit Zugewandertem entstanden.
Gerade können wir dabei jedoch zuschauen, scheint mir. Innerhalb sehr kurzer Zeit drängen Menschen nach Deutschland. Viele davon kommen aus sehr anderen Kulturen. Niederländer oder Finnen würden kaum bemerkt. Nigerianer oder Syrer hingegen fallen schon äußerlich auf, ganz zu schweigen von ihren deutlich anderen Sprachen und Gewohnheiten.
Eine Veränderung findet statt. Ich würde sogar sagen, eine beschleunigte.
Der Kolonialismus durch Briten, Franzosen und andere in Afrika, Asien, Südamerika war nicht durch Masseneinwanderungen geprägt. Militär und Unternehmen haben vielmehr mit vergleichsweise wenig Personalaufwand dort Ressourcen extrahiert. Die Bewohner der Kolonialstaaten sind dabei zuhause geblieben und die Bewohner der kolonialisierten Staaten sind auch zuhause geblieben.
Eine solche Kolonialisierung findet in Deutschland also nicht statt. Dennoch sehe ich Deutschland (und andere europäische Nationen) nun auf der anderen Seite einer Kolonialisierung: sie sind die Zielgebiete, sie erleiden die Kolonialisierung.
Vergleichbar ist die Situation für mich eher mit dem, was in Nordamerika stattgefunden hat. Dort gab es nicht die Form von Kolonialismus wie in Afrika oder Indien. England und Frankreich hatten zwar Kolonien, doch es gab nichts zu extrahieren. Die First Nation, auf die die Kolonisten trafen, hatten nichts anzubieten. Was es vor allem gab war also… Land. Land und das, was man daraus machen konnte.
Nach Nordamerika gingen deshalb Menschen, die Platz suchten, um sich ein Leben aufzubauen, das besser war als in ihrem Heimatland. Arme Menschen und/oder unterdrückte Menschen waren es, die die Landressource Nordamerika schätzten.
Wenn die Einwanderer bei dieser Kolonialisierung auf Einheimische trafen, hatten sie gewöhnlich wenig Mitleid. Das Recht des Stärkeren galt für sie ganz natürlich; sie wollten sich ihrem Drang nicht behindern lassen. Und so wurden wohl über 200+ Jahre mindestens ca. 8 Millionen “Ureinwohner” Nordamerikas auf die eine oder andere Weise, direkt oder indirekt getötet. Geografische, biologische, soziale Hindernisse haben die Siedler auf ihrem Weg von Osten nach Westen sukzessive überwunden.
Ist das das Schicksal von Europa? Sicher nicht so einfach. Den Kolonisten, die ihre Heimatländer verlassen, um ihr Heil in Europa zu suchen, stehen 500 Millionen gut organisierte Einheimische gegenüber. Die lassen sich nicht einfach so übertölpeln, gar ausrotten.
Und dennoch: Es findet eine Veränderung statt. Das homogene Deutschland, wie es bis vielleicht noch in die 1960er existierte, ist versunken und wird nicht wieder auferstehen. Die Menschen, die aus Osten und Süden nach Deutschland strömen, verändern es. Das hat schon vor 50 Jahren in den Städten begonnen. Nun erreicht es auch den letzten Winkel auf dem Land.
Knapp 30% der deutschen Bevölkerung haben Migrationshintergrund. Selbst wenn sie in Deutschland geboren wurden und die deutsche Staatsbürgerschaft haben, bedeutet das eine enge Verbindung zu einer anderen Kultur.
Das ist einerseits bereichernd: Wer mag nicht die Restaurantvielfalt oder das gute Angebot beim orientalischen Gemüsehöker oder den stets gut gelaunten ghanesischen Busfahrer?
Das ist andererseits aber auch verstörend: Wer kennt nicht die Unsicherheit, wenn im Heimatort im Supermarkt vor allem Russisch oder Arabisch zu hören ist? Wer fühlt nicht eine Spannung, wenn Gruppen von schwer einschätzbaren jungen männlichen Migranten den Bürgersteig blockieren? Wer schüttelt nicht vehement den Kopf bei einer Forderung nach Einführung der Sharia?
Die Kolonialisierung Deutschlands führt zu Spannungen. Das finde ich so offensichtlich wie natürlich. Und nicht weniger passiert auch. 30% mit Migrationshintergrund und ein weiterer gewünschter “Zuzug” von 1,5 Million Menschen pro Jahr, die nur aus anderen Kulturkreisen in dieser Zahl kommen können, bedeutet, dass die Zahl der Migrationshintergründigen pro Jahr um 1-2% wächst. In 10 Jahren sind das 10+%, in 20% haben dann 50% der Bevölkerung Migrationshintergrund. Eher sogar mehr, denn die Zuwandernden haben eine höhere Geburtenrate als die ursprünglich deutsche Bevölkerung.
Deutschland, das Land der Dichter und Denker, der Autoingenieure, der fleißigen schwarzwälder Mittelständler, der schuhpladdelnden Bayern, der Schützen- und Karnevalsvereine… das wird zunehmend zu einer Erinnerung rentenbeziehender Babyboomer. Es ist ein Auslaufmodell. Niemand sollte sich da etwas vormachen. Daran festzuhalten, ist vergeblich. Und wenn es sonst keinen Grund dafür gäbe, dann ist es die schiere Demografie.
Die vielen indigenen Deutschen sterben in den nächsten 20 Jahren weg. Die Zuwandernden sind dort, woher sie kommen, ohnehin schon viel mehr und sie werden in Deutschland, in Europa weiter mehr bleiben. Dass sie den Sättigungsgrad je erreichen, den die Deutschen erreicht haben, um ihre Vermehrung drastisch zu reduzieren, glaube ich nicht. Peak Wohlstand ist überschritten. Die Einheimischen werden zukünftig weniger, viel weniger haben. Die Migranten ebenfalls.
Worauf es nun ankommt ist, ob die weitere Kolonialisierung friedlich verläuft. Integrieren sich die Ankömmlinge bescheiden in die Verhältnisse, die sie vorfinden? Verstehen sie, dass das gelobte Land Deutschland nur halbwegs eines bleiben kann, wenn es seine Kultur des Schaffens behält?
Oder werden sich Migranten zu einer eigenen Kraft formieren, die eine Veränderung im Sinne ihrer Herkunft zügig herbeiführen wollen? Bisher gibt es keine politische Kohäsion unter den Migranten. Sie sind alle Einzelkämpfer, die froh sind, etwas vom Wohlstand in Deutschland abzubekommen. Es geht ihnen irgendwie besser als in den Herkunftsländern und sie sind es zufrieden.
Wie lange noch?
In Mülheim (Ruhr) gab es um mich herum nur Individuen. Sie verändern über die Zeit auch die Gesellschaft. Mir scheint, dass das bisher vor allem in positiver Weise geschah. Doch wird das so bleiben? Gibt es eine kritische Masse, ab der diese Entwicklung umschlägt? Ich weiß es nicht. Aber ich hoffe für alle Seiten, dass es friedlich bleibt.
Unabhängig davon jedoch sollte sich niemand in Deutschland, in Europa eine Illusion machen: die Kolonialisierung hat schon lange begonnen.
Nüchterne und sachliche Analyse. Gut!