Das Gegenteil von Freiheit ist...
Die Menschen, die sich heute für die vermeintliche gesundheitliche Sicherheit durch Verpflichtung aller zu Test, Abstand, Maske, Impfung entscheiden, wägen ab. Sie legen Freiheit der Unversehrtheit gegenüber auf die Waage. Nicht, dass sie Freiheit nicht wichtig fänden, aber sie schätzen die Sicherheit höher ein: Sicherheit mehr als Freiheit ist ihr Credo.
Ich habe bisher gedacht, Freiheit und Sicherheit würden die beiden Zustände sein, zwischen denen man durch Einstellung eines “Haltungsreglers” wählt:
Inzwischen glaube ich jedoch, das stimmt nicht.
Wer sich für weniger Freiheit entscheidet zugunsten von etwas anderem, der entscheidet sich natürlich für Unfreiheit. Das ist nicht erwähnenswert, weil die Entscheidung gegen die Freiheit noch frei war und im vollen Bewusstsein für ein scheinbar höheres Gut getroffen wurde, z.B. Sicherheit. Wessen Wert Sicherheit mehr als Freiheit ist, zahlt gern einen Preis in Form von Unfreiheit.
Hinter der Entscheidung gegen Freiheit steht jedoch eine Prämisse. Ohne sie wird jede Alternative fragwürdig. Diese Prämisse lautet: Die Alternative zur Freiheit wird verlässlich geliefert.
Geliefert? Ja, die Alternative muss geliefert werden. Jemand anderes ist für ihre Herstellung und Verfügbarmachung zuständig. Wer Freiheit aufgibt, gibt Kontrolle auf; Unfreie entscheiden nicht mehr selbst. Das, was statt Freiheit gewünscht ist, wird nicht in “freier Selbstentfaltung” selbst hergestellt, sondern eingekauft. Der Preis ist mindestens Unfreiheit. Beispiel Corona-Pandemie: Für die Sicherheit soll der Staat zuständig sein, dafür bezahlen Menschen mit gehorsamem Maskentragen, Abstand halten und Impfstoffempfang.
Verlässlich? Wenn die Alternative zur Freiheit per definitionem nicht in Selbstverantwortung hergestellt wird, dann muss ihr Lieferant verlässlich sein. Es macht sonst keinen Sinn, den Preis der Unfreiheit zu zahlen. Wenn schon Unfreiheit, dann bitte Fürsorge mit Garantie.
Die Entscheidung gegen die Freiheit, ist also immer eine Entscheidung für Abhängigkeit. Da, wo der Lieferant der Alternative erfahrungsgemäß verlässlich ist, mag das auch eine solide Entscheidung sein. Doch was, wenn der Lieferant keinen track record der Verlässlichkeit hat? Was, wenn der Lieferant ohne Zustimmung wechseln kann? Was, wenn der Lieferant selbst keine Kontrolle über das hat, was er als Alternative zur Freiheit anbietet? Was, wenn der Lieferant eine ganz eigene Agenda hat und ihm die Lieferung der Freiheitsalternative gerade nur in den Kram passt, morgen aber vielleicht nicht mehr? Was, wenn der Lieferant nicht nur die eine Alternative verkaufen will, sondern danach auch noch eine nächste und eine weitere?
Freiheit und Sicherheit gegenüberzustellen, ist ein Kategorienfehler. Freiheit ist eine grundlegende Verfassung; Sicherheit ist ein temporärer Zustand. Frei ist der Mensch, Sicherheit hat der Menschen. Oder auch nicht.
Freiheit bedeutet nicht, in einem bestimmten Zustand zu sein. Freiheit ist das Vermögen, Entscheidungen über die Veränderungen des eigenen Zustands selbst treffen zu können. Auch ein Misserfolg ändert nichts am Wert der Freiheit, autonom entscheiden zu dürfen, wie das Glück gemehrt werden soll.
Wer sich gegen Freiheit entscheidet, sollte daher in den Vordergrund stellen, für was er sich in derselben Kategorie entscheidet, das ist die Abhängigkeit. Weniger Freiheit bedeutet, mehr angewiesen zu sein auf die Gunst anderer.
Sicherheit, Gesundheit, Fürsorge, Bequemlichkeit, peace of mind mögen winken, wo man sich gegen die Freiheit und für die Abhängigkeit entscheidet. Aber für wie lange? Wie verlässlich ist der Lieferant der Freiheitsalternative?
Was ist zu erwarten, wenn der Garant des gesuchten Zustands in Unfreiheit der Staat ist? Ist von ihm Verlässlichkeit zu erwarten? Ich bin in dieser Hinsicht inzwischen völlig desillusioniert.
Früher hatten Staatsanleihen einen guten Ruf: sie galten als stabil, als verlässliche Renditegaranten. Und heute?
Früher war die Rente ein Lichtblick am Ende des Tunnels jedes Arbeitnehmers: sie galt als stabil, als verlässliche Alterssicherung. Und heute?
Früher war das Gesundheitssystem ein Sicherheitsnetz, auf dem sich jeder seinen Lebensstil leisten durfte, wie ihm der Sinn stand: es galt als modern und landesweit lückenlos und verlässlich. Und heute?
Früher war die Bahn pünktlich und die Heizung im Zug hat funktioniert: Bahnfahrten waren weit unterbewertet unter Geschäftsreisenden als verlässlich Fokus stiftende Zeit. Und heute?
Früher war die Fahrt auf der Autobahn frei und der Verkehr floss in den Städten: ein Auto war zurecht ein verlässliches Freiheitssymbol. Und heute?
Früher war der Strom billig und die Heizung gesichert: jeder Raum jederzeit warm im Haus war eine Selbstverständlichkeit. Und heute?
Früher war die Infrastruktur modern und funktional, eine Zierde des Landes: Brücken, Schleusen, Hebewerke, Straßen verbanden verlässlich. Und heute?
Früher war das Land ein Vorreiter in der Verbindung seiner Bürger mit einem Hochgeschwindigkeitskommunikationsnetz: ISDN bot weltweit führende verlässliche Bandbreite und Geschwindigkeit. Und heute?
Früher wurde Deutschland weltweit um Schulsystem und Berufsausbildung beneidet: Made in Germany hatte eine solide, verlässliche Grundlage. Und heute?
Ein Staat, der über Jahrzehnte augenfällige und vorhersehbare Probleme nicht in den Griff bekommen hat, ein Staat, der keine Kontinuität in Existenziellem sicherstellen konnte und kann… dem soll heute der Preis der Unfreiheit gezahlt werden, um eine Alternative verlässlich zu liefern?
Wer sich sehenden Auges dafür entscheidet, der entscheidet sich nicht nur für die Abhängigkeit, sondern auch für die hochgradige Unsicherheit. Wer Sicherheit statt Freiheit will, der will ein Leben im Prekariat:
Anzunehmen, dass das Prekariat immer die anderen sind, die, die ärmer sind, keine feste Anstellung seit 25 Jahren haben und in einer Mietskaserne wohnen, ist eine überkommene, naive Vorstellung. Das Prekariat hat sich längst in der Mitte der Bevölkerung ausgebreitet. Und je größer die Abhängigkeit vom Staat, desto größer auch die Prekarität.
Denn wer will vorhersagen, was der Staat von seinen heutigen Leistungen morgen noch erbringen kann oder will? Und wenn, zu welchem Preis? Mindestens die letzten 20 Jahre sollten gelehrt haben, dass die, die sich auf ihn verlassen, alsbald verlassen sein könnten.
Die Entscheidung für Sicherheit ist nicht nur eine gegen Freiheit, sondern vor allem eine für Abhängigkeit. Wer Sicherheit will, liefert sich aus; er macht sich zum Günstling. Darüber sollte sich jeder, der nach mehr Sicherheitsdiensten und Fürsorge des Staates ruft, im Klaren sein, bevor er mit letzter Freiheit diese Entscheidung trifft und sich ihm übergibt.