Der Anti-Rebell
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Achtziger. Sie waren auf der einen Seite schrill und bunt. Auch in meinem Teil Deutschlands. Ich war pubertierend, als die Punk-Szene entstand. Es waren junge Menschen, die sich die Haare bunt färbten, einen Irokesen-Schnitt trugen und sich mit Ohrringen und Ketten schmückten. Sie wollten anders sein als ihr biederes, langweiliges, von Monotonie geprägtes Umfeld.
Auf die Schule und all diesen Bullshit gaben sie einfach einen Scheiß. Es interessierte sie nicht, obwohl einige von ihnen, die ich kannte, vorher sehr gute Schüler waren und gute Noten hatten. Aber sie hatten keinen Bock mehr auf ein Leben im goldenen Käfig, in dem das System seinen unaufhörlichen, monotonen Takt vorgab. Es war ein Schrei nach Freiheit und der damit eng verknüpfte Ausstieg aus dem System.
Ob man es nun gut oder schlecht findet, sei dahin gestellt. Ihre Haltung, ihr Handeln und ihr Erscheinungsbild waren authentisch. Sie interessierten sich nicht für die von den meisten ach so sehr gefürchteten Konsequenzen gesellschaftlicher Ächtung. Sie waren auf ihre Art rebellisch und sie zeigten diese Einstellung offen.
Um dem typischen “Ja, aber…” gleich den Wind aus dem Segel zu nehmen: Auch wenn die meisten meiner ehemaligen Bekannten nicht den “normalen” gesellschaftlich konformen Weg gegangen sind und nach dem Abitur studierten oder eine Ausbildung machten, um dann ihre Lebenszeit in der gleichförmigen Routine der Festanstellung bei einem Konzern oder einer schnöden Sparkasse zu absolvieren, ist aus ihnen trotzdem etwas geworden. Ob Kneiper, Booker, Musiker oder Grafiker - sie haben ihren individuellen Weg gefunden.
Da bin auch gleich bei typischen Vorurteilen: Ich erinnere mich noch sehr genau an die Worte meiner Mutter in meinen Kindheitstagen, wenn wir irgendwo in den Weiten Ostdeutschlands unterwegs waren und uns jemand begegnete, der optisch aus der Norm geschlagen wirkte, weil er beispielsweise tätowiert war. Oh mein Gott! Ohne den Menschen und seine Lebensweise zu kennen, wurde geurteilt, was das Zeug hält. Natürlich musste der Tätowierte im Knast gesessen haben. Eine andere Option schien meiner Mutter undenkbar. Wie dem auch sei: Alles, was nicht der langweiligen Norm entsprach, wurde als suspekt eingeordnet. Mit denen wollte man im besten Fall nichts zu tun haben. Wer weiß, welchen Ärger man auf der Arbeit oder mit der Partei dann bekam. Ich habe jedenfalls keine Ahnung, ob es sich wirklich um Menschen handelte, die im Widerstand gegen ein totalitäres System waren und deswegen mal in den Bau mussten. Ich weiß es nicht, aber wenn, dann wären sie auch rebellisch gegen ein System aus Lügen und Restriktionen gewesen, was wohl eher Respekt als pauschale Verurteilung verdient hätte.
Was ist aber heute? Gibt es noch äußerliche Merkmale, an denen man Kritiker der totalitär-grün-rot-faschistoiden-gendernden GutmenschInnen-Gesellschaft erkennt? Klaus Schwabs Covid-19-Spiele haben es gezeigt: Echte Rebellen sind so gut wie ausgestorben. Galten noch in den Achtziger und Neunziger Tätowierte als Outlaws oder zumindest spezielle Charaktere, sind sie nun eher ein Indiz für absolute Konformität zur spät-kapitalistischen, oberflächlichen, auf Konsum ausgerichteten Gesellschaft der Mitläufer und obrigkeitshörigen Mitmacher.
Wer sich also einbildet, mit Piercings oder Tätowierungen etwas auszudrücken, den muss ich an dieser Stelle leider enttäuschen. Das tut mir für die wenigen wirklich Authentischen mit eigenem Standpunkt wirklich leid. Aber beim Großteil der Generation Y und Z kann ich keine Individualität erkennen. Zu sehr klammern sie sich permanent an ihre Idole und sehen leider nur aus wie ein billiger Abklatsch dieser. Im Fußball ist dies sehr gut zu sehen. Schaue ich mir gerade junge Spieler an, stelle ich oft Folgendes fest: Der Scheitel ist gleich gezogen, sie tragen dieselben Marken und sind auffallend identisch tätowiert. Oft wirken sie als würden sie mehr Zeit vorm Spiegel oder beim Friseur als auf dem Fußballplatz verbringen. Besonders ist da keiner mehr. Dafür aber leicht austauschbar. Fußball als Brot und Spiele fürs Volk ist ein guter Spiegel einer schwachen Gesellschaft, die von einem starken Staat dominiert wird.
In einer gleichförmigen Masse mitzuschwimmen, nicht aufzufallen und in den gesellschaftlich akzeptierten Grenzen zu bleiben, sichert das Überleben, lässt aber kein freies, selbstbestimmtes Leben zu.
Es liegt mir fern, Menschen über ihre Äußerlichkeiten zu beurteilen. Auch möchte ich nicht alle über einen Kamm scheren. Das liegt mir fern und es wäre ungerecht. Natürlich sind nicht alle gleich, dennoch habe ich ein Muster erkannt, welches leider auf einen großen Teil der Gesellschaft zu trifft. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen ihr Leben lang einer Illusion hinterher laufen und etwas sein wollen, was sie nicht sind. Soziale Medien, TV, Radio, Musik und Zeitschriften zeichnen ein Bild, wie das ideale Leben aussehen sollte. Sie sagen gerne vor, was alle am Wochenende, im Urlaub oder in der Freizeit tun sollten, um dazu zu gehören.
Kennt ihr diese typischen Ratgeber “10 things to do when travelling to…”? Ich frage mich, was kann ich noch entdecken, wenn ich den tief eingetretenen Pfaden der Herde folge? Es ist jedenfalls nicht mein Weg. Wenn ich weiß, das viele etwas wollen und tun, dann bedeutet das in meiner Sicht der Dinge ganz einfach: “Es ist nichts Besonderes mehr.” Warum sollte ich es dann anschauen und das 100-millionste Foto davon machen. Es langweilt mich nur.
Aber zurück zum Thema. Kennst du diesen Typ Mensch, der zwar besonders, eigenständig und standfest wirkt, es aber offensichtlich nicht ist? Es gibt diesen rebellisch anmutenden Typen mit vielen Piercings und Tätowierungen, der hemdsärmelig rüberkommt, gerne mit anpackt und einfach cool aussieht. Ich weiß nicht, ob es Zufall ist und nur mir auffiel, dass sich gerade dieser eigentlich nicht systemkonform wirkende Typus als absolute Systemuntertanen ohne Rückgrat entpuppten. Ich betone an dieser Stelle nochmals, dass es nicht darum geht, zu pauschalisieren. Es ist meine absolut subjektive Wahrnehmung.
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In meinem Kopf habe ich diesen Typus jedenfalls als den Anti-Rebell einsortiert. Er wirkt nach außen wie ein selbstsbestimmter Kerl, der auf den Tisch haut, wenn ihm etwas nicht passt und eine natürlich, kritische Haltung gegenüber Autoritäten und die Regierung hat. Aber das Gegenteil ist der Fall. Er saß brav mit FFP2-Maske zu Hause, um die Oma nicht mit einem Virus anzustecken, vor dem ein notorischer Lügen-Clown täglich in der Tagesschau die Menschen warnt(e). Gerne schreitet er vorbildlich voran, wenn es darum geht, solidarisch diese Gesellschaft zu schützen, in dem er allen Anweisungen der Behörden folge leistet, sich impfen und boostern lässt. Er hält es für seine Pflicht als guter Staatsbürger und fordert es von anderen ein. Alle sollen gefälligst die Maske tragen, weil er überzeugt ist, stets Gutes zu tun und die Gefahr längst nicht vorüber ist. “Sonst würden sie es im Fernsehen nicht immer wieder sagen. Und die Wissenschaft hat es bewiesen.”
Natürlich will der Anti-Rebell auch wieder in den Urlaub fliegen: nichts Aufregendes, 4-Sterne all-inclusive. Dafür steht er dann frisch geboostert vorbildlich mit Maske über dem Hipster-Bart im Flughafen.
Es gibt zwei Dinge, die mir in letzter Zeit immer mehr bewusst geworden sind. Zum einen sollten wir uns im Klaren sein, dass das Äußerliche nichts über die Einstellung aussagen muss. Menschen können optisch aus der Reihe tanzen und rebellisch wirken, aber in Wirklichkeit nur systemkonforme Mitläufer sein. Gerade in den letzten Jahren habe ich voller Entsetzen feststellen müssen, wie viel Zustimmung Regierungen in der westlichen Welt für ihre absurden menschenrechtsverachtenden Zwangsmaßnahmen auf eine wirklich krude Erzählung erhielten. Die Erkenntnis daraus ist, dass wir einer von Angst geprägten Gesellschaft leben. Angst wird Freiheit immer verhindern. Die Türen sind offen, aber viele von uns verlassen ihren Käfig nicht aus einer Reihe von konditionierten und medial immanent bestärkten Ängsten.
Die zweite große Erkenntnis ist, sei skeptisch, wenn jemand voll umfänglich der Regierung und dem Staat vertraut. Der Blick auf die reale Welt ist vernebelt und stark geprägt von den Lügen und der Propaganda der Regierungen. Diese Menschen kennen keine Loyalität gegenüber Freunden. Warum? Weil sie Angst vor der Obrigkeit haben. Sie glauben, nach eigenem Ermessen zu handeln. Dabei verwechseln sie allerdings eine persönliche Sicht zu haben mit dem öffentlich vermittelten Narrativ, welches sie wiedergeben. Der Spielraum für ihre eigene Meinung bewegt sich nur in dem Spektrum, was ihnen ihre Herrscher durch ihre Medien vermitteln lassen. Das fühlt sich für sie wie selbst entschieden und Freiheit an. Ist es aber keineswegs.
Wir haben gesehen, wie es mit staatlicher Propaganda möglich war, trotz fehlender objektiver Beweise und trotz, dass sämtliche Prognosen aus mathematischen Modellen vollkommen daneben lagen, zuerst zu einer Massenhysterie und kollektiver Angst und im Anschluss zu einer gefährlichen Ideologie führte, von der sich unsere Gesellschaft nicht so schnell erholen wird. Dieses Phänomen nennt man in der Psychologie übrigens Massenbildung. Die Gefahr eines solchen Phänomens muss ich nicht explizit erklären. Nicht nur die deutsche Geschichte sollte uns lehren, besonders achtsam zu sein, wenn zu große Massen im Gleichschritt in dieselbe Richtung marschieren, Bücher zensiert und verbrannt werden.