Die Corona-Wellen sind Kunstprodukte. Der beste Beleg dafür ist eine gänzlich regierungsuntypische Kommunikation: proaktiv und lautstark.
So gehen Regierungen nicht mit Gefahren um. Ihre natürliche Reaktion ist Vertuschung und Abwiegelung. Denn wenn Gefahr sichtbar wird, wird die Schuldfrage gestellt — “Wie konnte es dazu kommen?” —, der Regierungen reflexartig ausweichen wollen. Und wenn Gefahren sichtbar werden, gilt es Entscheidungen zu treffen, für die letztlich keiner den Kopf hinhalten will, falls die Ergebnisse zu wünschen übrig lassen, weil dann später die Schuldfrage gestellt werden könnte — “Wie konntet ihr nur so entscheiden?” Außerdem bedeutet Reaktion Veränderung; die ist niemandem geheuer. Eine reale Gefahr wird deshalb stets bis zum letzten Moment kleingeredet und die Reaktion bis zum letzten Moment hinausgezögert.
Vom Gefahrenpotenzial her ist Corona also abzuhaken. Da war kein Problem, da ist kein Problem. Würden die Massentestungen eingestellt, wäre die Pandemie vorbei.
Ganz anders mit einem realen Problem erster Ordnung: der alternden Bevölkerung.
Dieses Problem ist real, weil es für jeden auf der Straße greifbar ist. Heute. Es steht direkt vor Augen in Form einer wachsenden Zahl alter Menschen. Es steht indirekt vor Augen in Form einer Abnahme der arbeitsfähigen Bevölkerung und daraus folgendem Jammern über Fachkräftemangel und daraus wiederum folgenden Preissteigerungen.
Für die Gefahr, die in einer alternden Bevölkerung steckt, braucht es auch keine komplizierten Modellrechnungen. Die Verhältnisse in 5, 10, 15 Jahren können direkt aus den heutigen Verhältnissen abgelesen werden: die Alten kommen, die Alten werden Ansprüche stellen.
Was bisher geschah
Alles war gut zu Beginn des Wirtschaftswunders. Trotz fehlender Jahrgänge übertraf die arbeitende Bevölkerung (Altersgruppe 20-65) die berentete und pensionierte Bevölkerung (Ruheständler, Altersgruppen >65). Das waren keine Bismarckschen Verhältnisse, aber immer noch ordentliche.
Die 1. Welle einer größeren Zahl von Ruheständlern deutete sich damals aber schon an: die 54 bis 44 jährigen Männer und — noch schlimmer — die 55 bis 40 jährigen Frauen. Diesen Jahrgängen folgten schwächere; wer sollte also für ihre Versorgung aufkommen? Eine Lösung bestand darin, auch Frauen endlich auf den Arbeitsmarkt zu bringen, um sie in die Versorgungskassen einzahlen zu lassen. Eine zweite waren Gastarbeiter.
Und so war die 1. Welle des Rentendramas so überraschend wie Weihnachten, auch wenn die noch verhältnismäßig milde ausfiel:
Ich erinnere mich daran, wie in den 1970ern und 1980ern die Rente ein Thema, nein, ein Problem war. Die Abwiegelungen der Regierung gipfelten schließlich in Norbert Blüms Beteuerung “Die Rente ist sicher!” im Jahre 1986.
Interessanterweise ließ Blüm sich zu dieser Aussage hinreißen, just als die Neuzugänge bei den Ruheständlern abnahmen; die Welle war für den Moment vorüber. Die im Krieg Gestorbenen gönnten den Versorgungskassen eine kurze Verschnaufpause. Im Bild ist das die Einschnürung knapp über der 67er Marke.
Dass das Thema damit nicht vom Tisch sein konnte, war ja aber schon abzusehen. Die nächsten beiden Wellen zogen bereits herauf: die 1986 45-54 Jährigen und die 20 bis 30 Jährigen garantierten bereits zukünftige Belastungswellen.
Die 2. Rentenwelle brach dann auch um 2006 über Deutschland herein:
Sie stellte die bisherigen Belastungen in den Schatten:
Doch dieses Mal gab es keine “Reservearmee” mehr, die in den Rentenbeitragsbeschaffungskampf geworfen werden konnte. Die Frauen waren schon alle vom Herd an die Werkbank und an den Computer gewechselt. Was nun?
Das Rentenalter hochsetzen? Wieder und weitere Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben — und damit von ihren heimischen Sozialversicherungssystemen abziehen? Beide Maßnahmen wurden gestartet. Dass man von ihnen ablässt, ist nicht zu erwarten. Denn…
Demnächst in diesem Theater
Denn absehbar ist schon die 3. Welle. Nach Weihnachten ist vor Weihnachten; überrascht muss sich kein Politiker geben. Beim nächsten Mal wird es auch noch schlimmer! Hier wäre eine warnende Stimme wie Lauterbachs angebracht.
Mit dem Eintreffen dieses Brechers ist in 10 Jahren zu rechnen. Dafür muss niemand den Flug der Schwalbe deuten oder im Gekröse von Fischen lesen, wie Lauterbach es wohl gern tut für seine Corona-Prognosen.
Diese 3. Welle wird alle bisherigen Belastungen der Vorsorgekassen in den Schatten stellen.
Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld, wer hat so viel Pinke, Pinke? Unterhalb dieses Wellenberges fehlt es nämlich an Substanz. Da ist sogar weniger als 2006, als noch die Arbeitskräfte des zukünftigen 3. Wellenberges in die Vorsorgekassen eingezahlt haben.
Deutschland sitzt bereits jetzt in der Demografie-Falle. Die schnappt in genau 10 Jahren zu. Das ist gewiss. Das ist so gewiss, wie es sich die derzeitige Corona-Regierung für ihre Panikszenarien nur in sehr feuchten Träumen vorstellen kann.
Wo das Gesundheitssystem in nur imaginierter Gefahr war und ist, ist das Rentensystem in sehr realer Gefahr.
Das weiß auch die Regierung, da bin ich sicher. Dumm ist man dort nicht bei aller Selbstgewissheit, Arroganz, Rechthaberei und Angst. Deshalb reagiert die Regierung auch so, wie sie bei allen realen Gefahren reagiert: sie ist still. Sie duckt sich weg. Sie lenkt sich und die Bevölkerung mit etwas anderem ab: phantasierte Islam-Bedrohung, spekulativer Klimakollaps, herbei getestete Corona-Pandemie, provoziertes Ukraine-Drama.
Davon lässt sich die Bevölkerungsentwicklung allerdings nicht beeindrucken. Selbst wenn der Corona-Schnitter bei den Ruheständlern besonders geerntet haben sollte, so ist deren Versorgungskassen belastende Zahl nicht wirklich deutlich gesunken.
Andererseits hat Corona gezeigt, was die Regierung bereit ist zu tun, um eine Systemüberlastung zu vermeiden — selbst wenn sie nur imaginiert ist. Wieviel mehr wird sie bereit sein zu tun, wenn die Gefahr real ist? Was für das Gesundheitssystem recht und billig war, wird für das Rentensystem ebenso recht und billig sein: Man wird offen dafür sein, zum Äußersten zu schreiten. Kanzler Scholz hat schon bekundet, keine roten Linien mehr zu kennen. Dass zukünftige Kanzler oder Kanzlerinnen sich moderater geben werden angesichts eines realen und riesigen Problems, ist nicht anzunehmen.
Bisherige Regierungen konnten sich wegducken; die doppelte Gefahr der Babyboomer-Ruheständler war für sie in jahrzehnteweiter Zukunft. 40 Jahre werden seit Blüms Beteuerung vergangen sein, bis die Dramawelle voll über Deutschland hereinbricht.
Dabei haben wir das alle schon in der Schule in den 1970ern und 1980ern im Geografie- oder Gemeinschaftskundeunterricht gelernt. So oder so ähnlich stand es in unserem Diercke Weltatlas:
Die grundsätzliche Gestalt der Bevölkerungszusammensetzung wird sich massiv wandeln. Eine Demografiebombe, deren Lunte sichtbar brannte. Doch interessanterweise hat man die Bilder so gewählt, dass die hereinbrechenden Wellen nicht gut sichtbar sind. Doch gerade die machen das Problem. Denn Wellen haben es an sich, den Druck stärker und dann wieder schwächer werden zu lassen. Wenn der Druck stark ist, ist es schon zu spät; wenn der Druck schwach ist, kümmert es eine aufs Hier und Jetzt und die nächste Wahl konzentrierte Regierung nicht.
Eine doppelte Gefahr stellt die 3. Welle dar, weil nicht nur historisch neue Mengen an Ruheständlergeld gezahlt werden müssen und das Gesundheitssystem durch die Alten in nie dagewesener Weise belastet sein wird. Darüber hinaus sind die Ruheständler plus ihre unmittelbaren Nachfolger in einem Alter, in dem die meisten darauf bedacht sind, dass die Verhältnisse sich nicht ändern. Positiv ausgedrückt: Sie sind Bewahrer. Negativ ausgedrückt: Sie sind Blockierer. Schließlich wollen sie, dass es ihnen gut geht, wie all die Jahrzehnte versprochen. Sie haben geschuftet und stillgehalten. Dafür wollen sie ihren gerechten Lohn im Alter — scheiß aufs Klima, scheiß auf die Jungen. Außerdem sind es viele, sehr viele.
Wellenbrecher 2032
Wie wird die Regierung sich darauf vorbereiten? Sie steht ja unter Dauerfeuer der kurzfristigen Katastrophen. Hat sie den Kopf frei für langfristige Strategien? Wie sieht der Lösungsansatz aus, der heute aufgegleist wird, damit er in 10 Jahren die 3. Welle bricht?
Reicht es, das Renteneintrittsalter bis 2029 auf 67 Jahre anzuheben? Das bezweifle ich. Die Rente ab 70 wird kommen — sie ist derzeit nur nicht publikumsfähig. Was noch?
Reicht die Absenkung des Rentenniveaus von knapp 50% im Jahr 2006 auf 43% im Jahr 2030? Ich bezweifle das. Die Inflation nimmt zu; Löhne und Rente werden aber nicht im Gleichschritt steigen. Das Drama auf der Straße wird nicht gedämpft. Was also noch?
Reicht es, die Arbeitnehmer zu mehr privater Vorsorge zu ermahnen? Das bezweifle ich. Corona hat gezeigt, wie sehr die Mehrheit Fürsorge präferiert; sie wollen nicht selbstverantwortlich ihr Leben führen, sondern geleitet, gar verpflichtet werden. Wenn der Staat es nicht in die Hand nimmt, wird Vorsorge nicht verlässlich stattfinden. Was denn dann aber noch?
Alle anderen Maßnahmen werden wohl drastischer sein:
Massive, quasi gewaltsame Umverteilung. Solidarität wird von allen eingefordert, um den “überraschenden” nationalen Ruheständlernotstand durchzustehen. Wenn Corona-Impfschäden den Lastenausgleich nicht triggern, dann die 3. Welle.
Massive Anwerbung von Ausländern bis zur Provokation ihrer Migration nach Deutschland. Gewünscht sind frische, fitte Rentenbeitragszahler, also keine ungebildeten Horden. Man wird wählerisch sein.
Weiterer Abbau des Gesundheitssystems. Wo gut versorgt wird, wo womöglich sogar gut informiert wird über Gesunderhaltung, da ist ein längeres Leben zu erwarten. Das ist kontraproduktiv für die Versorgungskassen. Jedes verlorene Lebensjahr am teuren Ende des Lebens ist ein Gewinn für den Staat: Der Beitragsleister hat seine Schuldigkeit getan, der Beitragsleister kann gehen.
Kompletter Umbau der Sozialversicherung hin zu einem (bedingungslosen) Grundeinkommen. Auch wenn sich das positiv anhören mag — ich habe auch früher daran geglaubt —, führt das jedoch zu einer Steigerung der Abhängigkeiten. Der Staat gleitet zusehends in planwirtschaftliches Denken also in einen neuen Sozialismus ab. Wie zukünftsfähig das ist, haben die DDR und die Sowjetunion demonstriert.
Billigende Inkaufnahme von weiteren “Pandemien” mit mehr Potenzial für die Reduktion betagter, also kostenintensiver Altersgruppen. Ja, das klingt zynisch und nach Science Fiction — doch wer sagt, dass Phantasie nicht auch Realität werden kann? Ohne rote Linien ist alles möglich, wenn auch selbstverständlich zähneknirschend. Wo man für die Solidarität das Impfopfer bringen soll, kann doch auch ein Lebensopfer gebracht werden. Für die Kinder, für die Enkel. Oder? Zur Einstimmung das kleine Fernsehspiel im Staatsfernsehen: Endjährig.
Selbstverantwortung übernehmen
Ich glaube nicht daran, dass Wirtschaftswunderexportweltmeister Deutschland das Problem in den Griff bekommt. Es wird massive Unruhen geben. Der Populismus wird weiter Zulauf bekommen. Den heute schon Abgehängten werden sich die morgen Verarmenden anhängen. Die Ungleichheit wird ein Maß erreichen, das Netflix oder Metavers kaum zu befrieden vermögen.
Was also tun? Wer auf die Regierung für eine Lösung hoffte, hofft vergebens. Es gilt auch hier: Hoffen und Harren hält manchen zum Narren. Es gibt kein Recht darauf, von der Regierung fair behandelt zu werden. Wer jetzt stillhält, wer fleißig den Anweisungen der Regierungen folgt, bekommt keinen Freifahrtschein ins Ruhestandsglück.
Die Lösung liegt bei jedem persönlich. Nur, wer sich selbst rechtzeitig in Sicherheit bringt, wird von den Maßnahmen gegen die “Invasion der Alten” verschont bleiben.
Persönliche Vorsorge in Sachen Finanzen, aber auch Lebensmittelpunkt ist das A und O. Persönliche Vorsorge, nicht solidarische Vorsorge.
Wo das Rentenversprechen basierend auf der Idee einer Solidargemeinschaft nicht gehalten werden kann, ist Solidarität auch keine Bürgerpflicht mehr. Rette sich, wer kann! Die Uhr tickt.