Die DDR 2.0 zieht herauf
Wie soll ich eine Gesellschaft mit den folgenden Merkmalen nennen?
Planwirtschaft - Denn was sollte es anderes sein, wenn Politiker Wirtschaft ab- und anschalten, statt nur vorsichtig Anreize zu setzen?
Diktatur - Denn was sollte es anderes sein, wenn Politiker sich nicht für die Meinung der Wähler interessieren?
Meinungsunfreiheit - Denn was sollte es anderes sein, wenn Politik zwischen dem unterscheidet, was gesagt werden darf und was nicht? Ein Kampf gegen fake-news ist nicht vereinbar mit Meinungsfreiheit.
Propaganda - Denn was sollte es anderes sein, wenn auf allen Kanälen nur eine Botschaft zu hören ist?
Mauer - Denn was sollte es anderes sein, wenn Politik Eintrittsbarrieren nicht nur an Landesgrenzen, sondern an jedem Geschäft und jeder Veranstaltung errichtet? Wenn Abstand verordnet wird und körperliche Kontakte verboten sind? Wenn Menschen ihre Wohnungen nicht mehr verlassen dürfen?
Einheitsherrschaft - Denn was sollte es anderes sein, wenn Politik gestern von CDU+SPD gemacht wurde und heute von SPD+Grünen+FDP, sich aber in der Form nicht unterscheidet: autoritär.
Ideologietunnel - Denn was sollte es anderes sein, wenn Regierung sich an Wunsch und nicht an Wirklichkeit orientiert? Wenn nicht sein kann, was nicht sein darf?
Doppelmoral - Denn was sollte es anderes sein, wenn Politiker für sich Freiheiten reklamieren, die sie Bürgern nicht zugestehen?
Mir fällt dazu nur ein Begriff ein: DDR — jetzt in der Neuauflage, Version 2.0. Oder auch NND: Neu Normales Deutschland (alternativ: Neu Normiertes Deutschland).
Dass in der DDR nicht drin war, was drauf stand, war jedem klar. Demokratisch war dort nichts. Eine Republik mit stolzen Bürgern war sie auch nicht. Die DDR wurde von der BRD zurecht danach beurteilt, wie es in ihr zuging, nicht nach ihrem Anspruch.
Dasselbe verdient nun das vereinigte Deutschland. Nicht der alte Nimbus um Wirtschaftswunder, Exportweltmeisterschaft oder fleißigem “Made in Germany” spiegelt wider, was Deutschland ist. Für DDR-Verhältnisse braucht es keine “Diktatur des Proletariats”, rote Fahnen oder verstaatlichte Unternehmen.
Der Sozialismus war nur ein Anstrich für die DDR. Wirklich kennzeichnend für sie war das repressive, zentralisierte System. Die obigen Merkmale sind dafür auch nur eine Untermenge.
Der Anstrich des NND, der DDR 2.0, ist heute grün statt rot. Die Farbe ist komplementär; sie mag suggerieren, dass alles ganz anders ist. Doch letztlich ist es zunehmend wieder wie früher. Anders und doch vergleichbar. Mit jedem Tag mehr.
Die Verwandlung der Gesellschaft geschieht heute natürlich nicht mehr per Dekret. Die Siegermächte des 2. Weltkriegs haben dennoch massiven Einfluss:
Russland liefert den Antrieb
Die USA stellen Bedingungen
Konzerne und Finanzwirtschaft flüstern ins Ohr oder bilden sogar die Politiker aus
Das Dekret ist out. Die Angst ist in. Ein weiteres Merkmal der DDR: das Feindbild. In Version 1.0 war es der westliche Imperialismus. Wie recht die DDR damit hatte! Doch dieses Bewusstsein entwickeln Westler wohl erst in den letzten 14 Jahren.
In der Version 2.0 ist es komplexer. Der Feind ist nicht einer; es sind viele. Wechselnde. Das passt besser zu einer Welt, die entertaint werden will. Alles ist schnelllebiger geworden, auch die Feindbilder. Die sind in grob chronologischer Reihenfolge der letzten 20+ Jahre:
Der Islam, also der Osten
Die Migranten, also der Süden
Das CO2, also der Osten
Das Virus, also jeder
Die Russen, also der Osten
Das Feindbild der DDR 1.0 mutet geradezu an wie ein Edgar Wallace Film aus den 1960ern: für die heutige Generation zum Einschlafen oder Lachen. Damit kann kein Sta(a/r)t mehr gemacht werden.
Zeitgemäß ist das Flackernde und Uneindeutige. Die heutigen Feindbilder müssen sich eher an Filmen wie Inception, Memento oder Natural Born Killers orientieren, um Aufmerksamkeit zu bannen. Da kommt Spannung bis Verwirrung auf.
Die DDR 2.0 zieht herauf. Wenn die Merkmale nicht als das erkannt werden, was sie zunehmend konstituieren — eine repressive, zentralisierte Gesellschaft —, dann ist das unvermeidbar.