Die Freiheit des einen endet...
Es heißt, die Freiheit des einen ende dort, wo sie die Freiheit des anderen anfange einzuschränken. Gleich nach der weinerlichen Aufforderung zur Solidarität, aus der heraus Maske getragen und Impfung empfangen werden soll, kommt als Steigerung der moralisch-philosophisch-grundgesetzliche Baseballschläger: “Du kannst nicht auf deiner Querdenkermeinung bestehen und ohne Maske, ohne Abstand, ohne Impfung leben wollen, denn solches Leben wäre egoistisch. Diese Freiheit darfst du dir nicht nehmen, denn die würde meine Freiheit einschränken.”
Immer wieder war ich angesichts solchen Baseballschlägerarguments in der Vergangenheit sprachlos. Ihm schien eine gewisse magische, alle Andermeinung zerschlagende Kraft anzuhängen. Was könnte ihm widerstehen?
Doch inzwischen habe ich es so oft gehört und so oft gedanklich hineingebohrt, dass ich nun auf der anderen Seite herausgekommen bin. Für mich zerfällt das Argument zur Unbrauchbarkeit. Durch seinen mantrahaften Gebrauch hat es mir nämlich gezeigt, dass es umkehrbar ist.
Nach Aikido-Manier nehme ich heute einfach die Energie dieses Baseballschlägers auf. Wenn damit auf mich eingeschlagen wird, trete ich beiseite, lasse den Gegner von seinem Schwung gezogen an mir vorbei fallen, nehme ihm dabei seinen Baseballschläger aus der Hand und gebe ihm damit noch einen Schubs. Ich erwidere schlicht:
Deine Freiheit Angst zu haben und dich nicht selbst zu schützen vor einer Gefahr endet dort, wo sie meine Freiheit einschränkt.
Wer sagt, dass die Freiheit, sich ungefährdet im Supermarkt bewegen zu können, weil andere maskiert und geimpft sind, höher steht, als die Freiheit, sich ohne Maske und Impfung im Supermarkt zu bewegen?
Angst schränkt natürlich ein. Freiheiten, die man ohne Angst genoss, gehen in Angst verloren. Wenn Angst unwillkürlich ist und durch andere ausgelöst wird, dann liegt es deshalb nahe, von diesen anderen zu fordern, sich in einer Weise zu verhalten, dass die eigene Angst eben nicht mehr ausgelöst wird.
Doch auch wenn Angst unwillkürlich ist, bedeutet das ja nicht, dass man ihr ausgeliefert ist. Es gibt verschiedene Wege, Angst “zu verlernen”; Verhaltenstherapie und weitere Ansätze helfen. Oder man geht dem Angstobjekt schlicht aus dem Wege.
Aber genau das will der Corona-Ängstliche nicht. Er will den anderen Menschen, die ihm Angst machen durch Unmaskiertheit und Ungeimpftheit nicht aus dem Weg gehen, weil er dann allein zuhause sitzen müsste. Diese Freiheitseinschränkung durch seine Angst will er nicht erleiden. Deshalb fordert er die Freiheitseinschränkung der anderen. Ihre Freiheit geht ihm zu weit. Er setzt seine Freiheit an Teilhabe am munteren Treiben anderer Menschen höher ein, als die Freiheit zum unmaskierten ungeimpften Leben.
Doch warum? Dass die Maske kein Problem sein soll, dass die Impfung kein Problem sein soll, dass Widerstände dagegen nur Kleinlichkeiten sind… Woraus wird diese Einschätzung überhaupt abgeleitet? Ich sehe keinen absoluten Maßstab. Das sind schlicht subjektive Einschätzungen.
Deshalb kann das Baseballschlägerargument gegen seinen Schwinger gewendet werden. Er nimmt sich nämlich ebenfalls eine Freiheit heraus. Das ist die, aus seiner Angst heraus keine Einschränkung des eigenen Lebens zu fordern. Er muss nichts an sich tun, er will uneingeschränkt leben — dafür sollen andere aber eingeschränkt werden.
Diese Freiheit zum Ausleben von Ängsten muss jedoch ebenfalls eine Grenze haben. Die kann genauso legitim dort gezogen werden, wo sie die Freiheit zum Leben ohne Angst einschränkt.
Wer Angst vor Hunden hat, kann nicht fordern, dass keine Hunde mehr gehalten werden, um sich Angstfreiheit zu bescheren. Wer Angst vor engen Räumen hat, kann nicht fordern, dass nur noch weite Räume gebaut werden. Wer Angst vor Spinnen hat, kann nicht fordern, dass alle Spinnen ausgerottet werden. Und wer Angst vor Ansteckung hat, kann nicht fordern, dass alle Ansteckungsgefahren beseitigt werden.
Mach deine Angst nicht zu meinem Problem!
Das ist also im Grunde meine simple Antwort auf das Baseballschlägerargument.
Erst wer gegen seine Angst in Selbstverantwortung alles getan hat, der darf mich bitten, ihm zur Linderung einer Restangst entgegen zu kommen. Eine Bitte darf er äußern, keine Forderung. Denn für eine Forderung gibt es keine Basis, nicht die Menchenrechte, nicht das Grundgesetz.
Je heftiger der eine fordert, dass die anderen ihre Freiheit einschränken, um ihm eine Freiheit von Angst zu verschaffen, desto heftiger wird am Ende die Gegenreaktion sein. Wer den Baseballschläger auspackt, tut sich keinen Gefallen.