Es wäre schon schön gewesen, eine 4. Gewalt im Staat als Korrektiv zu haben. Das ließe ruhiger schlafen: “Da ist einer, der über uns wacht, damit es Politik und Unternehmen nicht zu bunt treiben.” Wer könnte sich als Bürger denn auch einen ständig kritischen Blick hinter die Kulissen leisten? Das Leben ist ohne diese Aufgabe schon mühevoll genug.
Aber, ach, es gibt sie nicht, die 4. Gewalt. Auch sie, wie so vieles in Politik und Gesellschaft, ist nur eine Illusion. Und das ist eigentlich keine neue Erkenntnis, wie man nach Lektüre eines Buches wie “Die Propaganda Matrix” von 2021 meinen könnte. Das ist auch keine aktuelle Entwicklung, die vielleicht durch einen notwendig geschlossenen Auftritt in Sachen Ukraine angestoßen wurde. Oder durch den alternativlosen Mediengleichschritt aus der Corona-Pandemie heraus.
Nein, nein, nein, “die Unabhängigkeit der Presse” ist von jeher eine Illusion gewesen und wurde als solche schon vor mehr als drei Jahrzehnten von Noam Chomsky in “Manufacturing Consent” aufgedeckt.
Aufgabe der Medien ist es danach, consent, also Einwilligung, gar Übereinstimmung herzustellen. Bürger sollen dem zustimmen, was andere — those in power — ihnen “zur Bewilligung” vorlegen. Widersprüche, gar Widerstände, also dissent soll vermieden werden. Der (Massen)Medienkonsument soll schlicht nur abnicken — oder, vielleicht noch besser, gleich einnicken.
Demokratie existiert nicht in der Form, wie es der Schulunterricht oder eben die Medien glauben machen wollen. Sie ist ein Schauspiel, in dem der Bürger eine bestimmte Rolle übernehmen soll. Um dafür die Einwilligung herzustellen, durchläuft das, was am Ende dem Konsumenten präsentiert wird, nach Chomsky fünf Filter:
Media ownership: Massenmedienunternehmen sind Konzerne, die sich nicht für das Gute interessieren und engagieren, sondern für ihren Gewinn. Was Gewinn verspricht, hat die höchste Priorität. Ob Journalismus kritisch ist, ist dafür sekundär.
Advertising money: Den Gewinn machen Medienkonzerne nicht mit Geld, das ihnen an kritischer Berichterstattung interessierte Menschen geben. Ihr Hauptprodukt ist deshalb nicht Journalismus, sondern die Aufmerksamkeit ihrer Konsumenten. Aufmerksamkeit wird verkauft an diejenigen, die Werbung in den Massenmedien schalten. Deshalb müssen Medien das präsentieren, was Aufmerksamkeit erheischt. Kritischer Journalismus ist das nur sehr bedingt; der ist viel zu rational. Sex sells oder allgemeiner: emotion sells.
The media elite: Wer Einfluss hat, macht sich das Geschäftsmodell der Medien zunutze. Unternehmen, Verbände, Politik, NGOs füttern Medien mit ihren Geschichten. Sie wissen, auf welche Knöpfe sie drücken müssen, um berichtet zu bekommen, was sie berichtet haben möchten. Frühzeitigkeit, Exklusivität, Kontakte zu Prominenz, Relevanzversprechen und nicht zuletzt in Aussicht gestellte Werbung machen Medien zu Dienern der Macht.
Flack: Wer die Macht herausfordern will, wird lächerlich gemacht, marginalisiert, faktengecheckt, gecancelt — oder Schlimmeres. Dieser Filter wurde in der Corona-Pandemie stark ausgebaut.
The common enemy: Sex sells — aber noch mehr Aufmerksamkeit bekommt stets ein Feind. Um die Aufmerksamkeit von Massen auszurichten, ist Angst die am stärksten wirkende Emotion. Nichts verspricht mehr auf die Medien ausgerichtete eyeballs als eine für die Masse imminente Bedrohung. Die Medien laben sich geradezu an der Angst ihrer Konsumenten. Die Feinde und Drohungen heute und in den letzten Jahren waren z.B.
Ein Wahnsinniger Präsident in Russland, der den 3. Weltkrieg lostritt.
Versorgungsengpässe, frieren im Winter, Inflation in Deutschland
Klimakatastrophe samt Rezession mit Armutsdrohung weltweit
Zusammenbruch des Gesundheitssystems durch COVID-19 Patienten oder gar der persönliche Tod durch Ansteckung. Neuerdings auch: Tod oder Siechtum durch Impfschäden.
Ein wahnsinniger Präsident in den USA, der die Welt ins Chaos stürzt.
Islamischer Terrorismus, der nicht einmal vor dem Weihnachtsmarkt Halt macht. Alternativ: Unterwanderung Deutschlands durch Muslime bei vorheriger Vergewaltigung aller deutschen Mädels jeden Alters.
Untergang des Abendlandes unter einer Flut von Menschen aus Afrika und Orient.
Diese Filtermaschinerie ist seit Jahrzehnten am Werk. Soziale Medien sind ihr nicht wirklich Sand im Getriebe; eher wirken sie wie Öl, das den Output an Propaganda erhöhen hilft.
Sind alle Medien gleich? Sicher nicht. Gibt es denn gar keinen ehrenhaften Journalisten mehr, der wirklich kritisch berichten will und es auch schafft? Doch, sicher, hier und da. Die Zustimmungsmaschine kann sich Alibi-Enthüller erlauben. Sie sind die Ausnahmen der Regel, nach der eben die Widerspruchslosigkeit der Massen produziert wird. Jeder zum eigenen Vorteil: die Medien für den Gewinn, die Einflussreichen für ihre Projekte.
Dass die Medien also unabhängig und vor allem gut seien… Nein, das ist eine lachhafte Illusion nicht erst seit 2020. Medien wie Spiegel, FAZ, Zeit, taz, Süddeutsche, Tagesschau, Tagesthemen, heute journal usw. verdienen nicht reflexhaft Respekt, weil sie über Jahrzehnte Marketing und brand building betrieben haben. Sie stellen nicht einfach Lösungen dar, sondern sind Teil des Problems. Selbstverantwortliche Information in ständiger Skepsis gegenüber dem konsultierten Medium ist mithin erste Bürgerpflicht.