Die Selbstzerstörung der Presse
Derzeit plakatiert der Medienverband der freien Presse (MVFP) gegen Angriffe auf die Presse. Panzer werden als Gefahrenbild genauso bemüht wie nichts sehen-hören-sagende Affen.
Dass diejenigen, die die journalistischen Werte in Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg mit Füßen getreten haben, einen Angriff auf sich fürchten und um Solidarität beim Reklamekonsumenten werben, ist schon dreist, finde ich. Das diejenigen, die sich mit Faktencheckern gemein machen und selbst zensieren, sich nun als Opfer stilisieren, ist ein Hohn.
Aber selbst das beiseite gelassen, geht das Plakat an der Realität vorbei. Es suggeriert, dass der Feind der freien Presse dort draußen lauert. Scharfe Geschütze werden scheinbar in Stellung gebracht. Aber von wem?
„In diesen Krisenzeiten haben Menschen ein großes Bedürfnis nach verlässlichen Informationen und seriöser Einordnung. Das leisten die Redaktionen von Zeitschriften und Zeitungen in großer Vielfalt und Tiefe. Die freie Presse arbeitet als vertrauenswürdiger Navigator für Leserinnen und Leser und als Gegenpol zu Fake News, Filterblasen und Propaganda. Um in unserer komplexen Welt selbstbestimmt und souverän leben zu können, wollen wir gerade auch Jugendlichen mit verschiedenen Formaten motivieren, ihre Medienkompetenz weiter zu schärfen“, MVFP-Bundesgeschäftsführer Stephan Scherzer
Der MVFP lobt vor allem die gute Arbeit seiner Mitglieder und orakelt, damit könne es auch vorbei sein, wenn man nicht aufpasse. Die Widersacher lauern überall und haben die Messer gewetzt.
Dabei ist es schon geschehen. Nur will das der MVFP nicht merken. Ich denke auch nicht, dass das der Hintergrund seiner Gründung ist. Es geht nicht um die Wahrung der Pressefreiheit. Die Presse steht in Deutschland nicht in Gefahr, durch die Politik zusammengeschossen zu werden. Freiheit ist nicht das Thema, Geld ist es. Google & Co, social media, überhaupt das Internet untergraben seit Jahrzehnten das Geschäftsmodell der Presse, egal, wie frei die sich fühlt. Das ist ihr ein Dorn im Auge. Aber natürlich kann man das nicht plakatieren; dafür gibt es keine Solidaritätsbekundungen in der Bevölkerung. Also wird geraunt von prekärer Pressefreiheit.
Bullshit!
Denn die Pressefreiheit, die sich ausdrückt durch Vielfalt nicht nur in Stil, sondern Inhalt, ist völlig selbstverschuldet schon lange im Eimer.
Schritt 1 - Medienkonzentration: Immer weniger Menschen bestimmen über immer mehr Journalisten.
Schritt 2 - Selbstselektion: Niemand muss die Presse heute beschneiden oder einengen. Sie tut es selbst. In den Redaktionen sitzen heute von taz bis FAZ keine grundlegend unterschiedlich denkenden Menschen mehr. Der Journalismus ist homogenisiert, weil die Zugangsvoraussetzung Haltung ist. Zuerst die Haltung des Gehorsams — veröffentlichen darf, wer veröffentlicht, was “von oben” gewünscht wird — und dann die Haltung der Gesinnung — veröffentlichen darf, wer den anzustrebenden gesellschaftlichen Konsens teilt. Überspitzt gesagt: Links-grün-solidarischer Gehorsam herrscht in den Redaktionen.
Und so entsteht Journalismus, der aus freien Stücken einen Tunnelblick hat. Angriffe aus der Politik braucht es da nicht mehr. Kapitalismus und Karrierewilligkeit in einem immer enger werdenden Markt, sorgen für eine Selbstbegrenzung bis zur Irrelevanz.
Die Freiheit der Presse wird nicht beim MVFP verteidigt. Sie wird bei Plattformen wie Rumble oder theplattform oder substack oder steady gestützt. Google, Youtube, Facebook, Twitter sind ja keine Hilfe mehr, wenn sie es je waren; sie haben sich durch Politikhörigkeit als das entlarvt, was sie immer waren: gierige Konzerne.
Die Presse hat sich selbst zerstört. Im besten Fall sind ihre Trümmer jedoch ein fruchtbarer Boden für eine neue, zeitgemäße Form von Journalismus, der weniger zur Degeneration durch Zentralisierung neigt.
Doch letztlich hat die Dezentralisierung zwei Seiten: Die Produktion muss dezentralisiert werden; mehr unabhängige Journalisten sind nötig, die ihren Job für ihre Wahrheiten tun — von denen es viele gibt — und nicht für die Karriere. Die Konsumption muss allerdings auch dezentraler werden, d.h. weniger gelenkt durch schulische Indoktrination. Es braucht offene, unabhängige Leser und Hörer, die unabhängige Journalisten nachfragen. Die Qualität des Journalismus spiegelt die Qualität ihrer Empfängers, der Bürger. Ohne freie Bürger, ohne Bürger, die Vielfalt wollen und aushalten, keine freie Presse.