Freiheit gibt es nicht unter einer Regierung
Die grundlegende Freiheit ist die, Verträge nach eigenem Gutdünken eingehen zu können. Innerhalb eines Vertrages bin ich dann allerdings in meiner Freiheit eingeschränkt. Der Vertrag gibt mir zwar Rechte, aber ich habe auch Pflichten. Innerhalb eines Vertrages habe ich zumindest nicht mehr die Freiheit, das zu tun, was meine Pflichten verletzen würde.
Vertragstreue ist die Grundlage moderner Gesellschaften: pacta sunt servanda. Verträge werden auf Augenhöhe eingegangen. Alle Vertragsparteien haben einen Vorteil davon; andernfalls würden Verträge nicht geschlossen. Einseitige Änderungen von Verträgen sind ausgeschlossen. Sucht eine Partei eine Änderung, erhalten die anderen Parteien das Recht zur außerordentlichen Kündigung.
Im Vertrag wird sein Umfang dargelegt. Der ist fixiert für die Vertragsdauer. Alle Vertragsparteien lassen sich darauf frei und im vollen Bewusstsein, also in Selbstverantwortung ein. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass im Zusammenhang mit dem Vertrag gegebene Informationen korrekt und vollständig sind.
Inkorrekte bzw. fehlende Informationen oder Zwang führen dazu, dass Verträge als nichtig erklärt werden.
Bei Nichterfüllung von Pflichten können die das erleidenden Vertragsparteien, denen damit verwehrt wird, ihr Recht wahrzunehmen, gegen die vertragsbrüchige Partei klagen.
Mit der Volljährigkeit erlangen Deutsche Bürger unbeschränkte Geschäftsfähigkeit; die Volljährigkeit macht sie also formal frei. Sie dürfen nun alle Verträge rein aus eigenem Willen eingehen.
Was brauche ich mehr als Erwachsener für ein freies Leben als “eine Plattform”, auf der ich vertrauensvoll Verträge eingehen kann nach meinem Gusto? “Die Plattform” soll mir lediglich zusichern, dass ich Zwang aus dem Weg gehen kann und eine Handhabe gegen vertragsbrüchige oder unlautere Parteien habe.
Ob ich mir mit Verträgen nutze oder schade, ist allein meine Sache. Jedem Erwachsenen sollte zugestanden werden, gute wie schlechte Entscheidungen zu treffen. Das sollte alle Lebensbereiche umfassen: Finanzen, Gesundheit, Beziehungen… Staatliche Fürsorge ist nicht nötig. Erwachsene sollten mit der Realität des Lebens zurecht kommen, die Harpe Kerkeling treffend so zusammenfasst: “Jeder ist seines Glückes Schmied, aber nicht jeder Schmied hat Glück.”
Der “Gesellschaftsvertrag” ist anders
Wie kann es angesichts solch einleuchtendem Vertragsrecht Klagen über begrenzte Freiheiten und eingeschränkte Rechte geben? Gibt es nicht einen “Gesellschaftsvertrag” zwischen Bürgern und Staat? Unterliegt der nicht den selben Bedingungen wie jeder andere Vertrag?
Mir scheint es, die Klage über Freiheitsbegrenzungen ist berechtigt, aber nur daraus zu erklären, dass der “Gesellschaftsvertrag” kein üblicher ist.
Staatsbürger zeichnen den “Gesellschaftsvertrag” gewöhnlich nicht explizit. Am 18. Geburtstag geht niemand aufs Amt, um in diesen Vertrag nun auch selbst einzuwilligen, während das bis dahin nur die Eltern stellvertretend bei der Geburt durch Akzeptanz der Staatsbürgerschaft für ihr Kind getan haben. Nein, der “Gesellschaftsvertrag” wird konkludent vom Volljährigen eingegangen, indem er seine Staatsbürgerschaft nicht ablegt (wie die Kirchenmitgliedschaft). Der “Gesellschaftsvertrag” ist opt-out, nicht opt-in. Ob der Volljährige sich der daraus entstehenden Rechte und Pflichten klar sei, wird auch nicht gefragt.
Der “Gesellschaftsvertrag” ist für den Staatsbürger unübersehbar. Was ich im Internet als AGBs bestätige, wenn ich bei einem Service ein Profil anlege, ist für mich schon nicht zu verstehen. Aber der “Gesellschaftsvertrag” ist noch um mehrere Zehnerpotenzen undurchsichtiger. Was müsste ich denn alles durchdringen, um mir meiner Rechte und Pflichten klar zu werden? GG, BGB, StGB, EStG… Mir scheint der “Gesellschaftsvertrag” sogar so weitläufig, dass er nicht einmal klar umrissen ist. Vielleicht wäre sogar zu überlegen, ob es sittenwidrig ist, einen solchen Vertrag überhaupt dem unbedarften Volljährigen anzubieten?
Anders als andere Verträge kann der “Gesellschaftsvertrag” jederzeit einseitig durch den Staat verändert werden. Die Vertragsparteien sind nicht auf Augenhöhe. Weder werden Staatsbürger über Vertragsänderungen informiert, noch müssen sie ihnen zustimmen, noch erhalten sie durch Änderungen ein außerordentliches Kündigungsrecht.
Interessanterweise kann der Staatsbürger allerdings jederzeit aus dem “Gesellschaftsvertrag” ausscheiden, indem er seinen Wohnsitz aufgibt, dass Staatsgebiet verlässt und keine Einkommen mehr auf dem Hoheitsgebiet des Staates erzielt. Noch weitergehend ist die Aufgabe der Staatsbürgerschaft.
Das jederzeitige Kündigungsrecht auch ohne besonderen Grund ist für die meisten Staatsbürger allerdings nur eine sehr theoretische Option. Sie können es nicht nutzen, es kommt ihnen nicht einmal in den Sinn, da es ihnen an Mobilität mangelt.
Und so verbleiben sie im “Gesellschaftsvertrag”, der ihnen durch seine Unklarheit und jederzeit einseitige Änderbarkeit zum Nachteil gereichen kann. So geschehen in der Corona-Pandemie.
Im “Gesellschaftsvertrag” sind Bürger und Regierung nicht als Partner, sondern im Verhältnis Obrigkeit und Untertan verbunden. Die repräsentative Demokratie suggeriert, dass die Staatsbürger dabei die bestimmende Partei seien — doch de facto ist das Gegenteil der Fall.
Der Souverän, das Wahlvolk, ist nicht wirklich souverän. Das würde ja bedeuten, über der gewählten Regierung zu stehen wie ein Geschäftsführer über seinen Angestellten; der kann sie abmahnen oder gar kündigen. Selbst wenn das Wahlvolk das mit der Regierung prinzipiell tun kann, ist das keine reale Option. Erst bei den nächsten Wahlen könnte Unzufriedenheit in gewissem Rahmen ausgedrückt werden. Doch was bedeutet die Abwahl der Pest, wenn sie durch Cholera ersetzt wird?
Das Staat, die Regierung und ihre Organe sind also die Obrigkeit, die nach ihrem Gutdünken den “Gesellschaftsvertrag” einseitig und jederzeit verändern können. Der Staatsbürger ist ihnen Untertan; er ist zum Gehorchen verpflichtet.
Rico hat in seinem Beitrag
beklagt:
“Ich merke, wie ich immer wieder auf Freiheit komme. Fühle ich mich etwa limitiert? Möglicherweise schon. Früher habe ich es weniger wahrgenommen, aber seitdem die Politik ihre hässliche Fratze ungeschönt in die Kameras ihrer gekauften Medien hält, erkenne ich es zweifelsfrei: Wir sind abhängig.”
Das unterschreibe ich — und setze als Erklärung hinzu: Die Abhängigkeit resultiert aus einem “unsittlichen” Vertragsverhältnis zwischen Bürgern und Staat. Kein anderer Vertrag ist so gestaltet.
Es kann keine Freiheit geben, wie wir sie meinen, solange Menschen noch in einem Untertanenverhältnis zu einer Regierung stehen. Ob die selbst gewählt ist oder nicht, macht keinen Unterschied. Die Art des real existierenden Vertragsverhältnisses ist entscheidend. Das ist nun aber so gestaltet, dass es innerhalb eines Staates drastisch asymmetrisch ist.
Wer sich seine Freiheit bewahren will, wer nicht zum Spielball der Willkür von Regierungen werden will, der muss stets bereit sein, sein tatsächlich noch existierendes Recht auf Vertragskündigung wahrzunehmen.
Dass auch das nicht als unverbrüchlich angesehen werden darf, zeigt die zunehmende Wegzugsbesteuerung. Sie gilt derzeit nur für Unternehmer — doch es gibt keine Garantie, dass das so bleibt. Eine harte, physische Mauer wie sie die DDR errichtet hat, um die “Kündigung” ihrer Staatsbürger zu verhindern, wird es vielleicht nicht wieder geben. Die Möglichkeiten für weiche, gesetzliche Mauern wachsen jedoch mit jedem Tag zunehmender digitaler Zentralisierung.
Leseempfehlung zum Thema: