Kann KI selbst Kunst schaffen? Ich halte das für eine unerhebliche Frage. Sie mag philosophisch interessant sein wie die nach dem freien Willen des Menschen. Bis zu einer Antwort jedoch - falls die denn je gefunden werden sollte -, müssen wir alle jedoch mit den Realitäten leben: der Mensch lügt und die KI generiert Werke, die Menschen reagieren lassen.
Gerade habe ich Midjourney genutzt, um einen Gedanken, nein, ein Bild, eine Stimmung in mir zu visualisieren. In mir war etwas, das ich ausdrücken wollte. Ich wollte es bildlich ausdrücken, um in anderen etwas anzuregen, die es betrachten.
Es sollte eine Illustration eines LinkedIn-Post werden. Mein Ansinnen war also, einerseits eine Stimmung zu vermitteln, die zum Inhalt passt, und andererseits schlicht Aufmerksamkeit zu erregen.
Dazu hätte ich vor 2023 Procreate o.ä. auf meinem iPad benutzt. Dazu hätte ich vor 1990 Öl auf Leinwand oder Buntstift auf Papier benutzt.
Mit diesen Werkzeugen hätte ich im Rahmen meiner technisch-handwerklichen Fähigkeiten ein Bild kreiert, das meiner Vorstellung nahe kommt. Ich wäre kreativ gewesen, den Werkzeugen hätte man das nicht zugesprochen. Warum auch?
Hm… aber wäre das wirklich korrekt? Steckt nicht in Zufällen, die sich bei der Nutzung von Werkzeugen ergeben, ein Funke für Kreativität? Die Farbe wird anders aufgetragen, als intendiert - und das regt mich an, etwas anderes zu versuchen? Der Pinsel hat quasi einen eigenen Willen? Oder indem ich das Medium bearbeite und erstmals meine Vorstellung manifestiere mit einem Werkzeug, komme ich auf ganz andere Gedanken? Ist das Werk also nicht vielmehr eine Co-Creation? Wäre ich ohne Werkzeuge noch der Künstler, der ich sein will? Haben Künstler je allein gearbeitet? Waren nicht vielmehr ihre Werkzeuge auch immer eine Form von Muse, der man kreative Beteiligung zugestehen sollte?
Und jetzt KI: Sie ist für mich ein Werkzeug, mit dem ich nun in Sekundenschnelle zwischen Stilen wechseln kann. Ich muss mich nicht mehr durch fleißiges Studium eines physischen Werkzeugs festlegen. Alles steht mir zu Gebote: vom Rötelstift über Ölfarbe bis zur Spiegelreflexkamera, ich kann mich expressionistisch, klassisch oder hyperrealistisch ausdrücken. Foto, Cartoon, Gemälde? Alles geht!
Ich habe die Wahl - und damit die Qual. Doch bin ich damit weniger Künstler? Ist das Werkzeug KI deshalb mehr Künstler? Muss es das sein?
Diese Diskussion finde ich nicht hilfreich. Sie dämpft das Potenzial, das in dieser Kooperation liegt.
Mir fällt nämlich auf, dass der Co-kreative Aspekt stärker wird mit KI. Ich visualisiere mehr in der Zusammenarbeit mit ihr. Der Wechsel zwischen meinem Eingreifen in ein Bild mittels Werkzeug - früher ein Pinselstrich, heute ein Prompt - ist vielleicht nicht schneller - gute Prompts kosten Zeit -, doch im Effekt weitreichender. Ich kann viel iterativer Vorgehen, als vormals. Und das passt zur Natur eines Kunstwerks, das immer eine Entwicklung ist, ein Annäherungsprozess an etwas Unbekanntes.
Mir scheint die Veränderung des Werkes durch den Künstler mittels Werkzeug überbewertet. Der Künstler wird vor allem mit dem Werkzeug in der Hand beim Malen oder Zeichnen dargestellt. Dabei ist das Zurücktreten genauso wichtig: das Innehalten und Betrachten. Das Werk entsteht nicht nur durch Jenes, sondern auch durch Dieses. Denn es ist der Kontrast zwischen Vorstellung und dem, was schon geschaffen wurde und betrachtet werden kann, was den weiteren Fortgang leitet. Dieser Kontrast kann nur im Zurücktreten erkannt werden. Die Veränderungsarbeit muss unterbrochen werden.
Und je häufiger und umfangreicher Kontraste hergestellt werden können, desto zügiger und kreativer geht die Werkschöpfung voran. Als Künstler kann ich eine viel größere Bandbreite an Umsetzungen ausprobieren, je flexibler und schneller mein Werkzeug ist.
Die Kunst des Künstlers besteht nicht wirklich im handwerklichen Können. Das schien nur bisher der Fall, weil unvermeidlich notwendig.
Die Kunst des Künstlers liegt in der Fähigkeit zur Resonanz: Kann er vorwegnehmend erspüren, was die Betrachter seines Werkes fühlen und denken werden?
Bisherige Werkzeuge haben ihn durch ihre Begrenzungen darin behindert. Mit KI ist er nun befreit. Er kann sich viel mehr auf dieses Erspüren konzentrieren; die “Steuerung” des Werkes mittels Prompting ist unendlich viel einfacher als mittels Papier und Farbe (egal ob analog oder digital).
Jeder, der einen Bleistift oder KI benutzt, um etwas zu visualisieren, womit andere in intendierter Weise angeregt werden, ist für mich ein Künstler.
Es gibt keinen Grund zur Geringschätzung der KI als Werkzeug.
Ich empfinde für mich sogar die Schwächen der KI als hilfreich: Ich profitiere oft davon, dass die KI mich missversteht. Oder meinen Prompts fehlt etwas, von dem ich nicht weiß, was es ist, damit ich einen bestimmten Effekt erziele, aber die KI weiß es auch nicht. Also “halluziniert” sie. Das Ergebnis kann mich sehr positiv überraschen. KI als Werkzeug hat also auch ihre Lernkurve - und am Ende ihre Grenzen.
Aber sie liefert mir gerade dadurch Kontraste, die mich anregen. Ich höre nicht so schnell mit dem Erkunden des Umsetzungsraumes für meine Idee auf, denn mit dem nächsten Prompt könnte ich einen Durchbruch erreichen. Die KI ist nimmermüde. Sie folgt mir durch jede Windung meines Suchprozesses für “das perfekte Bild”. Ich bin nicht durch das Werkzeug gezwungen, aufzuhören. Es gibt keine sunken cost fallacy mehr, denn die nächste Variante ist so schnell und billig herzustellen wie nie. Es stecken keine Stunden in einem Gemälde, bei dem ich kurz vor Vollendung merke, dass etwas Grundsätzliches fehlt. Ich kann jederzeit “from scratch” wieder beginnen.
Mit KI komme ich mehr in die Rolle eines Betrachters, der beurteilt, ob ein gewünschter Effekt schon erzielt ist oder nicht. Die wahre Rolle des Künstlers kann ich viel leichter mit KI einnehmen: in Resonanz gehen mit dem Werk, um zu erspüren, was es mit einem Betrachter macht.
Das empfinde ich der Kunst sehr förderlich.
Natürlich gibt es damit immer noch keine Garantie, dass ich mein Ziel beim Betrachter erreiche. Mein Spüren kann daneben liegen. Doch mit KI stelle ich das zumindest schneller fest. Denn von der Idee bis zum veröffentlichten Werk ist die Zeit drastisch verkürzt.
Ob ich es mit Pinsel, Bleistift oder KI schaffe, meine Intention umzusetzen, steht auch in den Sternen. Die Werkzeuge machen mich also nicht zu einem guten Künstler. Doch sie helfen, mein künstlerisches Potenzial zu heben. Je einfacher die Werkzeuge zu bedienen sind, desto besser gelingt das.
Mit KI habe ich eine “künstlerische Ader” in mir wiederentdeckt. Die Limitationen durch phyische oder simuliert physische Werkzeuge sind aufgehoben. Viel leichter ist es, einem Drang zum Ausdruck nachzukommen.
Das zu erleben, wünsche ich allen, die etwas in sich schlummern fühlen, das heraus will. Mit KI ist es so viel leichter, sich zu trauen.
Thank you Ralf for your exploration of the relationship of the artist to his or her tool of creation. I like the focus on the need to step back from the process of creation, and the discussion around the tool itself. Your principal motive here in creating seems to be able to connect with the audience, to provoke a feeling in the audience that, in the best case scenario, resonates with yours (but if it doesn't an emotional response is better than no response it seems). If I understand well then, the measure of your artistry is not the amount of work that has gone into the work, or the mastery of the tool itself, but the ability to connect with the audience, more quickly, more efficiently, more masterfully. And in this case, what I sense makes you happy is the fact that you can use language to create brush strokes of any epoc and time. AI empowers you to connect with the visual expression, through what you feel most confident with, language. It's a good progression for someone like you, who masters the word. What do you think?
For me, when I think of artistry, or being an artist, I think of someone who devotedly faces the impossibility of translating their experience of life, into something understandable, communicable, relatable, and does so over and over and over despite failures and rejections. That's one attribute of being an artist to me. The other is the mastery over all the tools that the artist uses to create, a scalpel, a brush, a welding torch, a pen, a baseball bat or ball, their body (i.e. acrobatics, dance...) and so on. An artist's journey entails, in my opinion, the need or desire to master his or her relationship to his or her tool of creation.
Every artist, though, deeply invests into a relationship, the primary relationship being their relationship to themselves, through the tool they are using to express that relationship. The tool disappears in themselves, and only becomes the means to an end, to bring outside that which resides inside. Whether that inside is the great potential to do things on a bar that no one could ever imagine before, or whether that something is being able to express the horrors of a war or dictatorship through a brush. The tool is a means to this particular end: to master the ability to bring the inner immaterial world into the outer material world. Bringing the inner immaterial to the outer material makes it easier for others to relate, to absorb some elements of ourselves, and so finally, to relate to us.
After completing this journey of relating to ourselves, and translating the invisible into the visible through mastery of a tool or environment, we finally can feel like we relate and are releteable to others. Our perceived sense of isolation drops and for a temporary space of time, we feel connected or in harmony with others. The artist, in this sense, is no different from the meditator, or the devout spiritual. They all, at some level, hope to achieve a kind of subtle orgasmic union with the whole, dropping, finally, the burden of our masks.