Ich bin nicht überrascht
Nach 22 Monaten Pandemie kann ich sagen: Ich bin nicht überrascht. Was sich Deutschland geleistet hat, ist beschämend, grauenhaft, tragisch - aber nicht wirklich überraschend.
Das Land, das Weltmeister sein will, kann nicht anders, als sich auch bei Corona weltmeisterlich anzustrengen.
Immerhin hat Deutschlands Drosten auch den PCR-Test erfunden, an dem die Pandemie hängt. Ohne PCR-Test kann nicht das wahrgenommen werden, was zu Ausnahmezuständen und Maßnahmen führt.
Und dann BioNTech in Mainz! Erst wurde dort der Buchdruck erfunden, der die Welt fundamental verändert hat, jetzt ein mRNA-Impfstoff, an dem die Welt genesen soll.
Das Deutsche Wesen kann nicht anders, als die großen Dinge ganz zu Ende zu bringen. Halbe Sachen gibt es nicht: das Reich muss 1000jährig sein, das Volk geimpft werden. Totaler Krieg, totale Impfung.
Das ist doch nicht überraschend.
Das Land mit dem kompliziertes Steuerrecht der Welt; das Land, das seine Bürokratie wachsen lässt und nicht einmal bemannen kann - 330.000 Stellen sind unbesetzt; das Land, das seine “Staatsbahn” nicht zuverlässig betreiben kann; das Land, in dem Infrastruktur - Brücken, Schleusen, Hebewerke - verrotten; das Land, in dem die high speed Internetabdeckung löchrig ist wie ein schweizer Käse; das Land, in dem Verwaltung und Schulen im digitalen Mittelalter arbeiten; das Land mit dem höchsten Strompreis in Europa; das Land, in dem Pflegekräfte seit Jahrzehnten keine Wertschätzung erfahren und am Hungertuch nagen; das Land, in dem millionenfach Altersarmut droht; das Land, das notorische seine Klimaziele nicht erreicht; das Land, in dem jede Regierungskritik rechts, gar faschistisch sein muss; das Land, das seine Unternehmen mit Wegzugsbesteuerung zum Bleiben zwingen muss; das Land in dem grüne Politiker vor ihrem Ministeramt gegen Bundeswehreinsätze sind und im Ministeramt dafür; das Land, das Lobbyisten zu Regierungsmitgliedern macht und Korruption immer nur im unterentwickelten Ausland sieht; das Land, in dem 32 Jahre lang dieselbe Partei den Kanzlerposten besetzt hat… dieses Land kann nicht anders, als nun alles zu geben und die SARS-CoV-2 Gefahr ganz, ganz ernst zu nehmen. Ganz ernst!
Deutschland hat sich überschätzt. 12 Jahre Diktatur durch den Nationalsozialismus mit all seinen Mitläufern, Denunzianten und Gewinnern, 40 Jahre Diktatur in der DDR mit all ihren Mitläufern, Denunzianten und Gewinnern… das lässt sich nicht abschalten. Das ist ein halbes Jahrhundert Erbe, das einen Bodensatz in der “Volksseele” gebildet hat. Merkel war nach eigener Aussage Basisdemokratie suspekt; sie sei wohl mehr so der autoritäre Typ. Dass es bei Kohl anders war, ist nicht anzunehmen.
Was soll also überraschend sein, wenn diese Grundhaltung 32 Jahre lang ein Deutschland regiert hat, das seine Diktaturen nicht wirklich aufgearbeitet hat? Dokumentarfilme über das 3. Reich im Fernsehen oder alljährliche Kranzniederlegungen sind keine Aufarbeitung. Zu glauben, dass Faschismus oder Totalitarismus mit Glatzköpfen oder Hitlergruß einhergehen müssen, ist naiv.
Nein, das Pandemieverhalten Deutschlands überrascht mich nicht. Ein bürokratisch-maroder Staat mit einer Politikkaste ohne Bodenhaftung und rasant auseinander driftenden Bevölkerungsteilen, der es nicht schafft, das Verschiedene zu integrieren und das Neue zu umarmen, solch ein Staat kann nur moralisierend, rechthaberisch, ohne Kompromiss und alternativlos verzweifelt nach einer sich anbiedernden Wissenschaft greifen, die er nicht einmal mit belastbaren Daten versorgen kann, um irgendwie einen status quo zu erhalten.
Dass solch eine Gemengelage dann auch noch vielfältige Gelegenheiten für Opportunisten, Krisengewinnler, gar Treiber mit größerer Agenda bietet, scheint mir keine Frage.
Was soll also am Ende anderes herauskommen als Chaos, Unzuverlässigkeit, knee jerk reactions und schließlich als Erlösung Versammlungsverbote und eine Impfpflicht?
Nein, nichts Neues unter der Sonne, schon gar nicht in Deutschland. Ich bin nicht überrascht.
#corona #politik #gesellschaft