Was macht diese Welt aus? Ich meine dabei nicht die Mutter Erde, wie sie von Natur aus ist oder ihre natürlichen Ereignisse wie Wetter, Flora und Fauna und so weiter. Ich spreche über die Welt, wie wir sie wahrnehmen und uns vorstellen. Vor allem denke ich an unsere Gesellschaft; so wir uns zueinander verhalten.
Seit Jahren beobachte ich, wie Medien Themen wie Menschlichkeit, Solidarität und Gleichheit für sich entdeckt haben und thematisieren. Diese Bemühungen wirken nicht authentisch und wenig glaubhaft. Ich empfinde sie als paradox in einer Gesellschaft, die scheinbar nicht mal über ein echtes humanes Wertesystem verfügt.
Gerade die Gleichmacherei führt global dazu, dass Kulturen und Einzigartigkeit beispielsweise durch unisono Bekleidung “Made in Pakistan” ersetzt wurde. Menschen tragen weltweit dieselben Marken, weil sie auch Teil einer riesigen Illusion sein möchten. Die meisten Innenstädte sind austauschbar geworden. Langweilige Ketten und Uniformität, wohin das Auge blickt.
Zum einen ist eine aus meiner Sicht noch die da gewesene Entfremdung von allem Natürlichen im Gange. Das ist kein lokales Phänomen, sondern weltweit zu beobachten. Lang gewachsene Strukturen und Traditionen werden durch einen grauen, lieblosen Einheitsbrei ersetzt, der leider nur in Werbeversprechungen bunt aussieht. Vor allem scheinen uns aber immer mehr persönliche Kontakte und Beziehungen verloren zu gehen. Für alle Dinge und Problemstellung, für die unsere Vorfahren und wir möglicherweise auch selbst in der Vergangenheit aus eigener Kraft Lösungen gefunden haben, wünschen wir uns heute technische Lösungen herbei, die es für uns richten sollen. Algorithmen sollen uns bei der Partnersuche unterstützen. Warum eigentlich? Was ist mit Selbstvertrauen und Instinkten? Ist uns die Fähigkeit abhandengekommen, einfach selbst die Initiative zu ergreifen, zu spüren und intuitiv zu handeln?
Ich glaube, ich spreche hier ein essenzielles gesellschaftliches Problem an. Die Angst davor, etwas falsch zu machen, zu versagen oder Fehler zu begehen. Der Wunsch nach dem fehlerfreien, stets ebenen und glatten Weg durchs Leben scheint omnipräsent. Meine Wahrnehmung ist allerdings, dass je mehr Menschen im Glauben an weltverbessernde Algorithmen, Apps, Technologien und die heilige Wissenschaft sind, desto größer wird das ganze Dilemma.
Denn all diese Dinge sind nur selten Hilfsmittel, die uns den Weg erleichtern und unterstützen. Das ist nicht Erwartung. Die Erwartung ist, dass es die Technologie schon richten wird und Eigeninitiative und Kreativität unnötig sind. Im Ergebnis verhindern diese Dinge, dass Menschen im echten Leben aufeinanderstoßen, miteinander sprechen, sich austauschen, riechen und spüren. Leben ist mehr als nur eine Mattscheibe und die meist damit verbundene Anonymität. Diese führt in Wirklichkeit zu Vereinsamung und Minderwertigkeitskomplexen. Menschen wollen plötzlich so sein wie andere, die sie bei Instagram bewundern. Sie erkennen aber nicht, dass sie meist selbst nur eine Rolle spielen und wissen praktisch nichts über das Gefühlsleben und den wahren Gemütszustand ihrer Idole.
Versteht mich nicht falsch: Ich liebe neue Technologien, bin oft von ihnen fasziniert und auch von den neuen Möglichkeiten, die sie unter Umständen schaffen. Aber ich sehe sie nicht zwingend als Fortschritt, vor allem dann nicht, wenn sie zur Entfremdung und Entmenschlichung führen. Wir sollten uns bewusst werden, dass Technoligien in einigen Bereichen Menschen durchaus ersetzen könnten. Aber alles, was geht, muss ja nicht zwangsläufig sein. Ich denke gerade an die Altenpflege, wo in China bereits Pflegeroboter existieren. Mag sein, dass sie abstrakt betrachtet, die Aufgaben erfüllen. Aber sie werde keine persönlichen Gespräche führen und zuhören, was für Menschen, die ohnehin schon viel alleine sind, besonders wichtig ist. Welcher Menschen mit Empathie und Gefühlen möchte bitteschön in einer perfekt getakteten Welt leben? Ich jedenfalls nicht!
Sind diese neuen Technologien, die unter dem Vorwand, die Welt verbessern zu wollen, gerade überall Einzug halten, vielleicht eine neue Glaubensrichtung oder Religion? Glaube besitzt immerhin eine krasse Waffe, der Menschen vom selbstständigen und aktiven Handeln abhält: Und das ist die Hoffnung. Diese Hoffnung hält die Menschen wiederum im Hamsterrad. Nichts von den Versprechungen der vermeintlich als Fortschritt angepriesenen Technologien führt beim genauen Hinschauen zu Freiheit und Selbstbestimmung. Nein, sie machen Menschen abhängig und sorgen dafür, dass sie ihr Hamsterrad nie verlassen werden.
Nun, die Situation ist nicht unlösbar. Überhaupt nicht. Wir müssen nur die Erwartung bzw. die Gedanken, dass uns jemand Mittel an die Hand geben wird, dass im Silicon Valley jemand eine neue weltverbessernde App erfinden wird, um genau dein Problem zu lösen oder dass uns Elon Musk ein besseres, sorgenfreies Leben auf dem Mars verspricht, einfach streichen. Es sind Illusionen, die geschaffen wurden, um uns zu unnötigem Konsum zu verleiten und uns am echten Leben zu hindern. Unschlüssige Menschen mit wenig Selbstvertrauen sind verführ- und lenkbar. Es ist leicht dem Glauben zu verfallen und zu hoffen, dass andere oder eben Technologien, die Probleme für uns lösen werden. Möglicherweise klingt es verlockend, weil man passiv in der Komfortzone bleiben kann, verhindert leider aber Aktivität und wahre Vielfalt, die nur der Kreativität von Individuen entspringen kann. Selbstbestimmte, aufrichtige Menschen könnten die Gesellschaft in eine natürliche Diversität führen. Ganz ohne staatliche Vorgaben.
Konzerne profitieren davon, dass viele Menschen glauben, es sei beispielsweise etwas Besonderes, einen Kaffee beim Besuch in einer fremden Stadt ausgerechnet bei Starbucks zu trinken und ein Foto bei Instagram zu posten. Es ist so unwesentlich und unwichtig für dein Leben und das Leben deiner Follower, das mir nicht mal ein passender Vergleich einfällt. Denn das Gegenteil ist der Fall: Es ist nichts Besonderes, weil du und jeder andere es überall tun kann.
Was wir begreifen müssen, ist, dass sich alles gegenseitig beeinflusst. Die Gesellschaft ist nicht so, wie sie ist, weil sie einfach so ist. Sie ist nur die Summe des Verhaltens aller. Alles ist ein Kreislauf. Mit unserem Verhalten prägen wir aktiv das Bild der Gesellschaft. Es liegt an jedem Einzelnen, wie lebenswert, vielfältig unsere Welt schlussendlich ist.
Jeder Einzelne kann also tatsächlich durch sein eigenes Verhalten dazu beitragen, die Welt zu einem schönen, lebenswerten Ort zu machen. Die Versprechen von Firmen, Regierungen oder Wissenschaftlern, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, ist nichts anderes als eine Farce. Wir brauchen keine Gesellschaft, die nur dank kalter, seelenloser Technologien, staatlicher Kontrolle, Penetration und Überwachung bestehen kann. Dort werden wir keine Erfüllung und Glück finden. Welchen plausiblen Grund kann es also geben, unser Lebensglück lieblosen Maschinen und stumpfsinnigen Algorithmen zu überlassen?
Was wir brauchen, sind authentische Menschen, die direkt miteinander kommunizieren, sich austauschen, träumen, sich entfalten, gestalten und einfach nur leben. Dann wäre die Welt sicher ein schöner Ort.
Ein cooler tiefsinniger Gedanke. Ich bin froh das es da draußen immer noch Menschen mit Verstand gibt. Dank der Situation der letzten Jahre, habe ich viele solcher wahren Menschen im echten Leben kennen gelernt, wie auch in der Welt der Algorithmen. Man muss die Balance finden und sich dem neuen nicht verschließen und das Alte wiederentdecken. Wie du es sagst, die Versprechen sind/waren groß, haben aber immer das Gegenteil bewirkt. Man sollte nicht jeden Trend blind mitmachen. Wenn man die neue Welt sinnvoll benutzt, findet man vieles, was scheinbar verloren gegangen ist.