Konzerne sind keine Menschenfreunde
Dass Konzerne sich aus Protest gegen einen Krieg aus einem Land zurückziehen, ist eine Mär. Dafür gibt es keinen Grund. Es liegt schlicht nicht in ihrem Zweck, sich darum zu bekümmern, ob das Land Krieg führt oder nicht.
Der Zweck von Konzernen ist die Generierung von Gewinn für ihre Anteilseigner. Nicht mehr, nicht weniger. Konzerne haben kein Gewissen. Sie reagieren stets so, dass der Gewinn gemehrt oder zumindest so wenig wie möglich geschmälert wird.
Menschen sind für Konzerne Mittel, sowohl ihre abhängig Beschäftigten wie ihre Kunden. Es sind Ressourcen, die es gilt auszubeuten. Wenn Konzerne diese Ressourcen pfleglich behandeln, dann nicht aus ethischen Gründen, sondern weil sie damit längerfristig höhere Gewinne erzielen.
Dass Konzerne Kriegsgewinnler sind, ist nicht neu. Dass Konzerne Kriegstreiber oder zumindest -unterstützter sind, sollte auch nicht neu sein. Den Nationalsozialismus mit seiner Wahnidee vom Dritten Reich hätte es nicht gegeben, wenn Hitler nicht massiv von deutschen Konzernen unterstützt worden wäre (z.B. Thyssen, IG Farben) und amerikanische Konzerne nicht für Wehrmacht und KZ-Verwaltung produziert hätten (z.B. Ford, IBM). Siehe dazu z.B. Big Business mit Hitler (kostenloser Download der englischen Ausgabe hier).
Konzerne kennen keine Freund/Feind-Unterscheidung. Sie kennen nur Ressourcen, die entweder zugänglich sind oder nicht.
Ist das heute denn aber nicht anders? Schließen sich Unternehmen und Konzerne nicht aus ethischen Gründen den Sanktionen gegen Russland an? Warum sollte es heute anders als vor 100 Jahren sein? Ich glaube nicht, dass diesem Rückzug ein Gedanke an die armen Menschen in der Ukraine zugrunde liegt. Das wäre höchst untypisch für Konzerne.
Nein, entweder, die Konzerne flüchten, weil sie meinen, eine weitere Präsenz in Russland würde ihrem Gewinn schaden. Oder sie ziehen sich zurück, um nicht an einer heimischen Front gewinnmindernde Nachteile zu erleiden. Menschen spielen dabei keine Rolle.
Nicht anders war es bei der Aktion zur Corona-Impfung. 150 Firmen hatten sich zu einer Kampagne zusammengeschlossen, um mit ihren veränderten Logos für das Impfen zu werben.
Whitewashing war noch nie so einfach. Menschenfreundlichkeit ist dafür nicht nötig. Marketing nimmt jede Form an, wenn die denn nur verspricht, Aufmerksamkeit auf das Produkt zu lenken.
Bei Ritter Sport hat man sich z.B. entschieden, bei der Impfkampagne dabei zu sein, aber sich nicht aus Russland zurückzuziehen. Wie kann das sein? Einmal ist das Unternehmen so besorgt um die Menschen, ein anderes Mal nicht?
Der Widerspruch löst sich auf, wenn das Grundmotiv der Gewinnmehrung in den Blick kommt. Ritter Sport hat sich in beiden Fällen für Gewinn entschieden. Zwar wird der Gewinn aus dem Russlandgeschäft nach einem social media shitstorm nun gespendet, doch das war initial nicht gewollt, ändert also nichts an der Motivation. Auch das Argument, man wolle Rücksicht auf Kakaobauern nehmen, spricht nicht gegen die Gewinn-Motivation: Die Kakaobauern sind für das Unternehmen eine Ressource; sollte die durch Verzicht auf das Russlandgeschäft Schaden nehmen, wäre das zukünftige Geschäft, d.h. der zukünftige Gewinn gefährdet.
Es geht Konzernen nicht um Menschen. Umso weniger, je größer sie sind. Konzerne sind deshalb nicht unmoralisch, sondern amoralisch. Moral ist für sie keine relevante Kategorie. Moral regelt Zwischenmenschliches. Je weiter also der Mensch innerhalb von Organisationen vom Menschen außerhalb der Organisation entfernt ist, je weniger der Erfolg eines Menschen innen vom Wohlbefinden eines Menschen außen abhängt, desto weniger spielt Moral eine Rolle. Das liegt in der Natur von Organisationen, die mit Menschen eben nicht auf Augenhöhe sind; sie gehören einer ganz anderen Kategorie an.
Menschen beuten Tiere als Ressource aus; sie machen sich da gar keinen Kopf. Es ist ihr Naturrecht, sagen sie. Genauso beuten Organisationen Menschen aus: human farming. Die Menschen arbeiten darin in Kaninchenställen — heutzutage auch mal mit Freilauf für etwas artgerechtere Haltung —, Menschen außerhalb werden dressiert und tun für Leckerlies alle möglichen Kunststücke.
Je weniger der Einzelne in Organisationen sichtbar ist und Berührung mit anderen Menschen draußen hat, desto unmenschlicher die Organisation. Das gilt nicht nur für Staaten mit ihren Regierungen und Verwaltungen:
Das gilt auch für Unternehmen und NGOs. In Abwandlung von Egon Bahr könnte es heißen:
“Im Kapitalismus geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Unternehmen. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Schulunterricht oder den Leitmedien erzählt.”
Staaten sind keine Menschen. Unternehmen und Konzerne sind keine Menschen. Sie interessieren sich nur für ihre organisationseigene Sicherheit/Stabilität innen wie außen, dazu gehört die Kontrolle über Ressourcen innen wie außen. Gewinne müssen gemacht werden! Allein das lenkt ihre Reaktion in Kriegen und anderen Katastrophen. Zu glauben, Konzerne wären politisch motiviert und kämpften für das Gute, ist ein Missverständnis.