Messen im Corona funnel
Wie kann festgestellt werden, ob Corona-Maßnahmen nötig und angemessen sind? Was sollten steigende Impfquote und steigende Inzidenzen der Regierung sagen? Ist die Lage wirklich so schlimm, wie es zumindest Karl Lauterbach sieht?
Vielleicht bin ich ja ein bisschen einfach gestrickt und naiv, allemal bin ich kein regierungsakkreditierter Experte, doch aus meiner Laienperspektive sieht es so aus, dass die erste und primäre Metrik falsch gewählt ist: die Zahl der positiven PCR-Tests.
Dass das Deutsche Volk droht, durch das Virus dahingerafft zu werden, war nie wirklich Begründung für Corona-Maßnahmen. Es wurde zwar gerade zu Anfang der Pandemie von Millionen potenziellen Toten in wenigen Monaten geschwurbelt, doch die Begründung war letztlich der Schutz des Gesundheitssystems. Systemschutz, nicht persönlicher Schutz, wohlgemerkt! Flachere Wellen sollten nicht vor Krankheit bewahren, sondern vor Mangel an Behandlungsplätzen. Und auch noch heute Anfang 2022 sind Impfgegner unsolidarisch, weil sie drohen, den armen Geimpften ein Intensivbett vorzuenthalten mit ihrer Leichtfertigkeit.
Mahnend wird mit der Forderung zur Solidarität stets die Infektionskurve hochgehalten. Dass die in ihrem Verlauf so gar nicht zur Belegung der so schützenswerten Intensivbetten passen will, ist einerlei. Jedenfalls dem Geimpften. Denn für mich steckt darin das Grundproblem der Pandemie: Sie wird begründet mit einer zweifelhaften Wahrnehmung, die noch nicht mal für bare Münze genommen einen Prognosewert hat.
Zweifelhaft ist die Wahrnehmung eines PCR-Tests, weil nicht klar ist, was überhaupt gemessen wird. Wann ist jemand positiv? Wenn er mit dem SARS-CoV-2 Virus infiziert ist, wenn er so infiziert ist, dass er ansteckend ist? Wie hoch ist die falsch-positiv Rate dieser Messung? In welcher wie vorselektierten Population wird eigentlich gemessen?
Keinen Prognosewert hat die Wahrnehmung, weil aus dem Verlauf der gemessenen Werte kein Effekt in der realen Welt folgt. Es gibt noch nicht einmal eine Korrelation zwischen Intensivbettenbelegung und Inzidenzkurve. (Lediglich selbst daraus abgeleitete Maßnahmen wie die Quarantäne lassen sich prognostizieren: Viele positive Tests führen zu vielen Zwangsisolierungen und damit auch zu Personalengpässen in Krankenhäusern.)
Nein, für mich taugt der PCR-Test schon lange nicht mehr als Indikator für irgendetwas. Das sagt mir nicht nur mein Laienverstand, das sagen ja sogar Erfinder und Hersteller und Gericht: der PCR-Test ist kein Diagnoseinstrument und sollte nicht massenhaft und schon gar nicht außerhalb eines klinischen Settings angewandt werden. Mit einem PCR-Test kann man vielleicht in einer Differentialdiagnose unterstützen, wenn schon deutliche Krankheitszeichen vorliegen. Im Testzentrum bei gesunden Menschen ist seine Anwendung prinzipiell unsachgemäß.
Aber was denn dann? Auch ich finde, dass eine Regierung die Aufgabe hat, die Volksgesundheit zu beobachten und auf Veränderungen zu reagieren. Wenn Herzinfarkte und Lungenkrankheiten zunehmen, dann soll untersucht werden, woran das liegt. Wenn dann festgestellt werden, dass freiwillige Handlungen wie das Rauchen ursächlich sind, muss angemessen gegengesteuert werden; wenn festgestellt wird, dass Feinstaub dazu beiträgt, dann muss angemessen gegengesteuert werden. Dito bei Krebs, iatrogenen Schäden, Krankenhauskeimen usw. usf.
Wie findet eine Regierung denn aber heraus, ob es ein Problem gibt? Was können Indikatoren sein? Blutuntersuchungen, Stuhlabstriche, PCR-Tests?
Ich bin mit Corona sehr skeptisch geworden, dass prediktive Untersuchungen mit immer sensibleren Sensoren der Gesellschaft zuträglich sind. Vorsorge hört sich gut an - doch mit Vorsorge kann auch Schindluder getrieben werden. Allemal steht ein Präventionsparadox drohend im Raum.
Nein, ich glaube, wir müssen ertragen, auf Vorhersage zu verzichten. Sie ist ein Sirenengesang.
Was zählt, ist nicht, was vielleicht sein könnte, sondern was ist. Hier und heute.
Auf Corona bezogen sehe ich da mehrere Stufen und Dimensionen.
Corona Entwicklungsstufen
Wie beim Marketing durchfließen Menschen in Bezug auf Corona einen Trichter (funnel): viele treten vorne ein, wenige tropfen hinten heraus. In diesem Trichter sollten Messstationen in den Fluss gestellt werden. Unzweifelhafte Daten müssen erhoben werden. Es ist zu beobachten, wer ist…
…im Bett, also krankgeschrieben, also arbeitsunfähig durch Krankheit?
…im Krankenhaus, also eine Belastung für das Gesundheitssystem?
Eine getrennte Messung der belegten Intensivbetten ist auch möglich. (Eine Messung der Belegungsrate hingegen finde ich nicht mehr hilfreich. Ob es an Ressourcen mangelt, sollten nicht die Ressourcen angeben, sondern sich in anderen Zählgrößen ausdrücken.)…im Sarg, also tot, also keine Belastung mehr für das Gesundheitssystem und auch nicht für das Rentensystem?
In meiner laienhaften Vorstellung sollte eine Industrienation wie Deutschland fähig sein, diese drei Zahlen kontinuierlich (wochenweise) zu erheben. Eine simple Zählung reich. Strichlisten bekommen doch selbst Ärzte und Krankenhäuser und Einwohnermeldeämter noch hin, oder?
Diese Zahlen durchlaufen im Jahr erfahrungsgemäß Schwankungen. Sie sind überraschen wie Weihnachten. Wenn es darüber hinaus jedoch Ausschläge gibt, die Statistiker sicherlich als ungewöhnlich klassifizieren können, dann schaut man halt mal nach.
Wichtig: Man schaut nach, wenn es schon passiert ist. Man schaut nach, wenn schon 3-4 Wochen etwas passiert ist: ein Trend braucht Entwicklungszeit und die Messstationen brauchen Zeit, ihre Werte zu melden. Also ist das, was zentral beobachtet wird, nur mit einem Verzug beobachtbar.
Aber in der Zeit könnten doch Menschen durch die ungewöhnliche Entwicklung sterben! Ja, das kann sein. Das ist nicht schön. Aber das ist der Preis, den eine Gesellschaft bereit sein muss zu zahlen für ihre Freiheit. Wer Freiheit will, muss Opfer in anderen Bereichen bringen wollen. Zähneknirschend, aber nichtsdestotrotz.
Corona Urteilsdimensionen
Einfach nur harte Entwicklungen zählen ohne Ansehen der Ursache, wäre ein erster Schritt raus aus dem Corona-Wahn. Nichts anderes hat einen Effekt auf die Gesellschaft als Menschen, die nicht mehr im Arbeitsprozess sind und auch noch das System belasten. Egal, warum das so ist. Es geht zunächst um den all cause loss of productivity.
Nur, wenn ursachenunabhängig gezählt wird, können auch Kollateralschäden erkannt werden.
Aber am Ende ist die Zählung des Unzweifelhaften nicht ausreichend. Das verstehe selbst ich. Also muss man auch das Risiko Urteil eingehen. In Corona-Zeiten sehe ich zwei Urteile als hilfreich an:
Diagnose: Warum ist jemand an einem bestimmten Punkt im Corona Funnel? Welche Krankheit führte zur Krankschreibung, zur Einweisung ins Krankenhaus, zum Tode? Da muss ein Arzt genau hinschauen; da muss am Ende womöglich häufiger denn bisher eine Obduktion her. Schon in der Rechtsmedizinvorlesung 1988 habe ich gehört, dass in Deutschland zu wenig obduziert wird. Wer hat es mir damals gesagt? Prof. Püschel, denn ich habe in Hamburg studiert.
Impfstatus: Der Impfstatus spielt derzeit eine große Rolle? Dann muss er eben stets und ohne Ansehen der Person erfasst werden. Das darf keine Frage der Diagnose sein, denn sonst entsteht Blindheit gegenüber Kollateralschäden.
Der Impfstatus ist keine Station im Trichter, auch wenn er sich so simpel zählen lässt wie ein Tod. Er steht quer dazu in einer eigenen Messdimension, weil jeder Fortschritt durch den Trichter einen anderen Impfstatus haben kann.
In der Diagnose liegt eine gewisse Gefahr. Da gibt es einigen Interpretationsspielraum. Doch wir kommen nicht drumherum, Ärzten zu vertrauen. Ärzten, also einzelnen Menschen, nicht Organisationen. Das heißt, was der Arzt diagnostiziert, sollte möglichst ungefiltert gemeldet werden.
Ja, so einfach mache ich mir das: in drei Dimensionen müssen nur Daten zusammengetragen werden, die überall leicht erhoben werden können.
Nur, wenn das gewollt und möglich ist, kommt Deutschland aus dem Corona-Wahn heraus und wappnet sich, nicht in Zukunft in einen anderen Wahn zu verfallen.
Der PCR-Test oder jede andere hochsensible Beobachtung von zweifelhaften potenziellen Ursachen ist Gift für die Freiheit.
#corona #politik