Niemand hört gern, dass er dumm sei. Aber ich will bei diesem Begriff nicht die Schere im Kopf zuschnappen lassen. Es muss erlaubt sein, sich über den Zusammenhang von Corona-Pandemie und Dummheit Gedanken zu machen. Denn:
Die Dummheit ist ein größerer Feind als die Bosheit.
Anregung dazu war mir dieses Video:
Inwiefern ist die Dummheit für die Corona-Pandemie relevant? Das beginnt bei den Fakten:
Argumente stoßen auf taube Ohren. Fakten sind für einen dummen Menschen irrelevant.
Damit sollte klar sein, wer die Dummen sind: Das sind die, die falsche Fakten verbreiten. Die, deren Fakten gecheckt werden müssen. Corona-Leugner und Querdenker und Schwurbler können nur dumm sein.
Tatsächlich?
Oder ist es anders herum?
Denn sowohl Maßnahmengläubige wie -kritiker berufen sich auf Fakten. Wahre Fakten werden gegen echte Fakten ins Feld geführt und die jeweils andere Seite als faktenresistent und somit dumm bezeichnet. An den Fakten, den vermeintlichen, ist die Dummheit also nicht klar zu erkennen.
Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn Bonhoeffer sagt:
Dummheit ist im Grunde kein intellektueller, sondern ein moralischer Defekt.
Unter den Dummen finden sich also auch Menschen mit einigen intellektuellen Fähigkeiten bis hin zum Doktor und Professor. Und die beanspruchen Fakten ganz sicher zur Rechtfertigung ihrer Position.
Es gibt Menschen, die intellektuell bemerkenswert beweglich, aber dennoch dumm sind. Und andere, die intellektuell stumpf, aber alles andere als dumm sind.
Nicht Besitz oder Fehlen von Fakten weist die Dummheit also aus, sondern der Umgang damit. Wie reagieren Menschen auf Fakten oder schlicht andere Meinungen? Ein “moralischer Defekt” ist keiner im Denken, sondern im Wertesystem und somit im Emotionshaushalt.
Der dumme Mensch ist selbstzufrieden. Er ist leicht reizbar und wird gefährlich, wenn er auf Angriff geht.
Selbstzufriedenheit, moralische Überlegenheit, Rechtschaffenheitsgewissheit: das sind Symptome der Dummheit. Der Dumme ist stur und geistig versiegelt; er ist nicht offen für einen Diskurs. Wer nicht seiner Meinung ist, ist schlicht gegen ihn. Damit tritt der Dumme geistig auf der Stelle.
Diese Haltung des Dummen ist allerdings nicht alternativlos. Er könnte auch anders. Vielleicht konnte er früher sogar anders — doch dann ist etwas passiert:
Dummheit ist nicht angeboren. Menschen werden vielmehr unter bestimmten Umständen dumm.
Menschen sind nicht per se dumm. Sie werden entweder dumm gehalten oder sie regredieren in die Dummheit. Daraus lässt sie sogar Hoffnung schöpfen: Wer noch nicht dumm ist, kann sich der Verdummung verweigern.
Menschen in Einsamkeit zeigen seltener Dummheit als Menschen in Gruppen. Dummheit scheint daher weniger ein psychologisches, denn ein soziologisches Problem zu sein.
Ein probates Mittel gegen die Dummheit ist, sich nicht an Masse und nicht an Macht zu orientieren. Denn:
Machtzuwachs auf der einen Seite führt zu Dummheit auf der anderen Seite.
Macht infiziert mit Dummheit; Macht induziert Dummheit.
Die Macht des einen scheint die Dummheit des anderen zu brauchen.
Oder umgekehrt: Wo Dummheit schon herrscht, kann Macht leicht übernommen werden.
Dummheit ist keine Sache des Intellekts, sondern der Emotionen. Der Intellekt ist ein Hilfsmittel zur Erklärung der Welt in einer gegebenen Situation. Er steht im Dienste der Bedürfnisse; die Bedürfnisse weisen ihn zur Not in seine Schranken. Und ein sehr grundlegendes Bedürfnis ist das nach Zugehörigkeit.
Zugehörigkeit darf erwarten, wer so ist, wie die Masse. Ausschluss aus der Masse muss niemand fürchten, der innerhalb der Grenzen der sie beherrschenden Macht denkt:
Der Intellekt versagt nicht einfach. Vielmehr werden Menschen unter steigendem Einfluss von Macht ihrer inneren Unabhängigkeit beraubt.
Unabhängigkeit, also die Fähigkeit, zur Masse auf Distanz gehen zu können, ist keine Sache des Intellekts. Persönlichkeit, Charakter, Weltbild, Grundhaltung, Selbstvertrauen sind für die Unabhängig ausschlaggebend. Wer in dieser Hinsicht “schwachbrüstig” ist, der ist mithin anfällig dafür, die eigene Macht über sich auf andere zu übertragen. Was Mächtige und Masse von ihm halten, ist ihm wichtiger, als was er selbst von sich hält.
Intellektuelle Kapazität wird dann in den Dienst der Konformität gestellt. Fakten werden entweder abgewiesen oder so gedeutet, dass sie nicht im Widerspruch zur anerkannten Macht stehen.
Der Dumme ist der, der sich seiner existenziellen Autonomie entledigt. Er macht sich aus freiem Willen ohnmächtig.
Die Sturheit des Dummen darf nicht darüber hinweg täuschen, dass man es nicht mit ihm als Person zu tun hat, sondern mit der Macht, der er sich übergeben hat. Sie äußert sich durch ihn in Schlagworten und Parolen. Die Macht missbraucht den Dummen für ihre Zwecke. Deshalb ist der Dumme auch zum Bösen fähig - was er selbst jedoch nicht mehr zu erkennen vermag.
Der Dumme ist nicht an Unkenntnis oder prinzipieller intellektueller Unfähigkeit zu erkennen. Vielmehr ist es ein unerschütterlicher Konformismus, ja, geradezu ein Fanatismus, der ihn auszeichnet. Der Dumme fürchtet nicht die Erkenntnis; Erkenntnis ist für ihn nicht einmal eine Kategorie. Der Dumme fürchtet die Ungnade und den Ausschluss.
Nur Befreiung kann Dummheit überwinden, nicht Belehrung. Eine innere Befreiung setzt allerdings meistens eine äußere Befreiung voraus.
Der Dumme ist unfrei und kann aus der Dummheit nur durch Befreiung gerettet werden. Es ist die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit und Abhängigkeit von Masse und Macht.
Bewusstheit für größere Zusammenhänge, Selbstvertrauen, Autonomie lassen sich nicht als Erkenntnis vermitteln. Man muss sich auf Erfahrungen einlassen, die sie stärken. Das braucht Zeit, das braucht aber auch ein Umfeld, das es zulässt. Ein freies, befreites Umfeld, in dem der Dumme erfahren kann, dass er auch überlebt, akzeptiert, gar anerkannt ist, wenn er sich selbst vertraut. Ohne Konformität mit der Masse, ohne Wohlwollen der Macht dennoch ein sicheres Leben führen zu können, will mühsam gelernt werden. Eigentlich ist dafür die Zeit der Kindeserziehung da — doch allemal die Schule fördert solche selbstvertrauende Unabhängigkeit nicht. Dass Dummheit in Angst und unter Machtgebahren sich schnell ausbreitet, ist deshalb nicht verwunderlich.
Nichts anderes ist in der Corona-Pandemie geschehen: Angst wurde geschürt, Macht wurde demonstriert, Konformität wurde eingefordert, Unabhängigkeit wurde abgestraft. Das Ergebnis: grassierende Dummheit.
Ihre Symptome — Reizbarkeit, Rechtschaffenheit, Sturheit, Diskussionsunwilligkeit, Ausgrenzung, Moralisierung, Faktenignoranz, Konformitätsforderung — sind allgegenwärtig. Die Pandemie ist eine der Dummheit. Dieses Virus hat viele Gemüter erfasst.
Schlau sind in dieser Pandemie allerdings nicht die, die sich der Dummheit widersetzt haben durch Bewahrung von Autonomie, Diskurswilligkeit, kritischer Distanz zu Masse und Macht. Das Gegenteil von Dummheit ist Klugheit.
Nein, schlau sind die, die sich die Dummen für die eigenen Zwecke zunutze gemacht haben. Schläue ist skrupellos; sie ist der wahre Dummheitsprofiteur.
Brilliant!!!