Propaganda von Herz zu Herz
News zu verbreiten ist so billig geworden, dass wir im Zeitalter von News-Spam angekommen sind
So funktioniert Propaganda: Man nehme alte Bilder, die zu einem zu suggerierenden Szenario passen, und poste sie als brandneu in einem anderen Kontext.
Ich habe auf die Bilder die Google Bildsuche angesetzt und für mindestens drei Quellen gefunden, die älter als 2022 sind. Hier ein Beispiel von 2016:
Natürlich hat der aufmerksamkeitsherausgeforderte LinkedIn-Leser keine Zeit, sich bei jedem wutheischenden Beitrag auf eine Recherchereise zu begeben. Aber Skepsis, eine gehörige Portion, darf generell wohl angebracht sein. Und zwar reflexhaft. Je tränenrührender ein Beitrag, desto mehr Skepsis.
So funktioniert einfach heute "Berichterstattung": an den Leitmedien vorbei "von Herz zu Herz". News zu produzieren und zu verbreiten, kostet nichts mehr. War früher noch Papier für jeden Empfänger nötig, dann reicht jetzt ein Computer für Millionen. News hat folgerichtig dieselbe Entwicklung wie Briefe durchgemacht: von der teuren Briefpost über die billige Werbepost bis zu kostenlosen Spam-Email. Unerbetene News flattern jedem social media Nutzer heute dutzendfach in den Posting-Strom und füllen ihn mit Rauschen, egal, ob fake oder real.
Die Interessenparteien wissen, dass Leitmedien (im Westen) mit Skepsis betrachtet werden. Außerdem fehlt denen entscheidende Leserschaft. Also lanciert man auf social media direkt Propaganda, um die favorisierte Story über die Welt — aka Narrativ — zu verbreiten.
Am besten funktioniert das, wenn betroffene Menschen — hier scheinbar eine Ukrainerin — anekdotisch Ungeheuerliches präsentieren. Das vermittelt Authentizität. Da ist der ganze lesende Mensch angesprochen vom leidenden Menschen. Sich dem zu entziehen, ist schwer. Darauf setzen die Propaganda-Macher.
Deshalb gehört es für mich zur Medienkompetenz im 21. Jahrhundert, sich noch weniger als früher auf große Kinderaugen, weinende Mütter, minengeschüttelte Bauern einzulassen. Wie den Spam-E-Mails mit einer Aufrüstung mit Filtern begegnet wurde, braucht es jetzt eine Aufrüstung mit Spam-News-Filtern. Mit Faktencheckern ist da allerdings der Bock zum Gärtner gemacht. Nein, der Spam-News-Filter muss wie der Spam-E-Mail-Filter dezentral installiert werden; er muss unter Kontrolle des Empfängers stehen. Der schnellste Weg dorthin ist seine Installation im Kopf. Damit bleibt zwar Mühe beim Leser, doch die verringert sich mit der Zeit; Spam-E-Mails sind allermeistens aus den Augenwinkeln zu erkennen und schnell gelöscht. Dasselbe gilt für Spam-News: mit etwas Übung lassen die sich so leicht überspringen wie offensichtliche Werbung.
Erst im nächsten Schritt sollte der News-Spamschutz auf Dritte übertragen werden. Dann schlägt wieder die Stunde vertrauenswürdiger Medien.
Bis dahin ist die persönliche Filterung durch strenge Skepsis vielleicht ein wenig zynisch — Traue keiner zur Schau gestellten Empörung oder Träne! — und trifft auch hier und da einmal eine ehrliche Nachricht… doch tendenziell scheint mir eine grundskeptische Haltung hilfreich, um den Verstand nicht an Rattenfänger zu verlieren.
P.S. Und nicht nur Normalbürger (oder sock puppets) verbreiten Bullshit. Dieses Mittel macht vor Politikern natürlich keinen Halt: die Vergewaltigungsgreuel in der Ukraine waren auch erfunden. Natürlich mit allerbester Absicht.