Public-Private Partnerships for the Loss
Was ist zu erwarten, wenn Unternehmen Partnerschaften mit der öffentlichen Hand eingehen? Unternehmen sind darin nicht einfach Auftragnehmer der öffentlichen Hand, sondern Verbündete. In einer Partnerschaft sind die Mitglieder auf Augenhöhe; es gibt kein Gefälle einer Weisungshierarchie.
Nicht erst seit der Corona-Pandemie betont das Weltwirtschaftsforum (WWF) die Vorteile solcher public-private partnerships (PPP), siehe z.B. How public-private partnerships can give more people better healthcare. Was könnte daran auch schlecht sein? Allemal, wenn sie eine Führungsrolle von Regierungen stärken, wie WWF-Gründer Klaus Schwab in seinem Buch COVID-19: The Great Reset erklärt:
„[G]overnments will strongly encourage public-private partnerships so that private companies get more involved in the mitigation of global risks. Irrespective of the details, the role of the state will increase and, in doing so, will materially affect the way business is conducted. To varying degrees, business executives in all industries and all countries will have to adapt to greater government intervention.“
Sind PPPs nicht auch eine ideale Alternative zu weiterer Verschuldung?
“Die öffentliche Hand erwartet von der Partnerschaft mit der privaten Wirtschaft die Entlastung der angespannten öffentlichen Haushalte, da der private Unternehmer die Finanzierung ganz oder teilweise selbst besorgt und daher auf die Wirtschaftlichkeit des Projektes achten muss.”, Wikipedia
So schön es auch verpackt wird, leider glaube ich nicht daran.
Mir gefällt erstens nicht die Rhetorik, dass PPP als die Zukunft des Verhältnisses zwischen Staat und Unternehmen dargestellt wird, eine quasi alternativlose Zukunft.
Mir gefällt zweitens nicht, wer so spricht, z.B. das WWF als Repräsentant von mindestens 5.000 Milliarden USD Jahresumsatz von 1.000 Großunternehmen.
Für mich sind PPPs Teil einer industrieübergreifenden Lobby-Argumentation, die der Politik einflüstert, dass ihr mehr Nähe gut tue. Wo es Jahrhunderte gebraucht hat, Staat und Kirche zu trennen, soll nun eine neue Einheit geschmiedet werden: Staat und Unternehmen. PPP for the Win!
Aber profitieren nicht beide Partner davon, also auch Regierungen? Das ist der Sinn von Partnerschaft. Was wäre allerdings überhupt Gewinn für die Partner?
Partner Industrie
Da ist die Industrie, genauer: die Milliardenindustrie. Es geht also nicht um Vielfalt und eine allgemeine Förderung freien Unternehmertums, sondern nur um den Vorteil von Großorganisationen. Konzerne sind die Unternehmenspartner in PPPs. Und was ist der Zweck von Konzernen? Die Erwirtschaftung von Gewinn für ihre Shareholder.
Für mehr Gewinn durch geringere Kosten aufgrund leichteren Zugriffs auf “Rohstoffe” oder Einfluss auf Gesetzgebung und/oder höhere Preise durch Exklusivität, Monopolstellung bzw. Schutz durch Regulation sind Konzerne zu allem bereit. Eine PPP ist für sie ein Gottesgeschenk.
Dass Gewinn nichts mit dem Wohl von Menschen zu tun hat, versteht sich von selbst. Unternehmen sind keine Samariter. Menschen interessieren sie nur als Mittel: Sie nutzen sie als Geldquelle (Konsumenten) oder zur Herstellung ihrer Produkte (Angestellte). Zum Wohl der Menschen tun Konzerne so wenig wie möglich und so viel wie nötig. Natürlich stellen Konzerne das anders dar. Doch Bio-Produkte, Betriebskindergarten und Homeoffice sollten nicht darüber hinweg täuschen, dass Konzerne nicht-menschlich sind; es sind riesige bürokratische anonyme Organisationen mit dem Zweck der Bereicherung ihrer Eigner.
Partner Regierung
Zweck von Regierungen sollte sein, den Frieden für ihre Bevölkerung zu erhalten und deren Wohlstand zu mehren. Ich bezweifle jedoch, dass heutige Regierungen diesem Anspruch gerecht werden. Der Grund ist simpel: Frieden ist ein Zustand der Komplexität, Wohlstand ist teuer. Beides ist Regierungen zuwider.
In der Komplexität verlieren Regierungen Kontrolle. Das ist eine Gefahr für ihre Legitimation. Damit steht ihre Stabilität in Frage. Wer an der Macht ist, will dort bleiben.
Im Krieg ist die Komplexität geringer als im Frieden. Denn im Krieg ist das Ziel klar: der Feind muss besiegt werden. Ob der Feind großer Mangel ist wie nach dem 2. Weltkrieg oder eine andere Ideologie wie im Kalten Krieg oder das Klima oder ein Virus, das ist für eine Regierung unerheblich. Wichtig ist die Klarheit, die ein Feind schafft. Was den Feind schwächt ist gut und muss getan werden. Das zu erkennen und zu entscheiden, ist die Aufgabe einer Regierung.
Regierungen leiden stets unter einem Legitimationsproblem, auch und gerade gewählte Regierungen. Dieses Problem lösen Kriege der einen oder anderen Art.
Im Frieden kann Wohlstand für viele gedeihen. Doch selbst wenn Regierungen an Frieden interessiert wären, hätten sie es nicht leicht, den Wohlstand zu mehren. Zumindest ist das schwer, wenn Regierungen sich zur Fürsorge verpflichtet sehen.
Bürger, die einen Sozialstaat wollen, die von der Wiege bis zur Bahre Unterstützung der einen oder anderen Art erwarten, die abhängige Beschäftigung vorziehen und gleichzeitig eine Aversion gegen Steuern haben, sind für Regierungen schlicht keine dankbaren Schützlinge. All die fordernden Mäuler zu stopfen — vom betreuungsbedürftigen Kleinkind und den zu formenden Jugendlichen über den Arbeitslosen, den Kranken, den Künstler, den Beamten bis zum Rentner — führt zu einer Kombination aus Whac-a-Mole und Ponzi Schema.
Dass Regierungen angesichts großer Anspruchshaltung und wachsender Fürsorgeerwartung Wohlstand schaffen, ist genauso zum Scheitern verurteilt wie jede Planwirtschaft.
Win-Win in der PPP
Konzerne wollen Grenzenlosigkeit. Sie wollen keine Einschränkung ihrer Freiheit beim Zugriff auf Rohstoffe und im Umgang mit Bedürfnissen ihrer Konsumenten zur Erwirtschaftung von Gewinnen. Wie ist das am besten zu erreichen? Durch Einfluss auf Regierungen.
Regierungen wollen Stabilität. Sie wollen Legitimität durch Wohlstandsmehrung ohne Schuldenlast. Wie ist das am besten zu erreichen? Mit Kostenübernahme durch Konzerne.
In PPPs kommt beides zusammen: Konzerne werden Partner von Regierungen und nehmen auf sie Einfluss; Regierungen werden Partner von Konzernen und werden finanziell unterstützt.
Eine Win-Win Situation.
Auf der Strecke bleibt dabei allerdings der Bürger. Es gibt nur zwei Gewinner, nicht drei. Dass der Bürger durch eine PPP gewinnen würde, weil doch die ihn vertretende Regierung gewinnt, ist eine naive Annahme.
Wenn die Regierung gewinnt, gewinnt nicht einfach der Bürger. Denn Regierungen wie Konzernen ist der Menschen nicht Zweck, sondern Mittel.
“In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.”, Egon Bahr
Was für die internationale Politik gilt, gilt auch in der Innenpolitik. In der nationalen Politik geht es um das Interesse der Regierung. Sobald eingesetzt, ist ihr oberstes Bestreben, die eigene Existenz zu sichern; dafür sind ihr alle Mittel recht: vom Kindergeld bis zur Impfpflicht. Was weitere Machtausübung beim Bürger legitimiert, wird getan.
Regierungen gewinnen durch PPPs zunächst durch eine Budgetentlastung. Weniger Schulden, weniger Bürokratie: Das hört sich für den Bürger wie eine weise Entscheidung an.
Darüber hinaus gewinnen Regierungen allerdings auch Informationen. Ihre Konzernpartner haben einen anderen Zugang zum Wahlvolk, der ihnen Einsichten verschafft, die eine Regierung aus sich heraus nicht gewinnen kann.
Und schließlich gewinnen Regierungen Kontrolle. Über den Umweg der Konzernpartner können sie noch breiter Einfluss nehmen auf ihre Bürger, um für Legitimation zu werben und stabilitätsfördernde Verhaltensweisen zu beeinflussen.
Konzerne andererseits sind in PPPs nicht mehr niedere Ohrenbläser, sondern offiziell Gleichgestellte. Das verkürzt ihre Einflussnahme auf die Bedingungen, unter denen sie ihre Geschäfte tätigen können. Die Bankenbranche macht es schon vor, da sie sich ihre eigenen Gesetze schreibt. Auch der WWF macht keinen Hehl daraus, dass es ihm genau darum geht: Nicht nur strebt er für seine Mitgliedsunternehmen PPPs an, er ist auch stolz darauf, ihnen in Regierungen Kollaborateure gegenüber zu setzen:
Zudem erleichtert eine PPP die Entwicklung von Monopolstellungen oder zumindest eine Reduktion der Wirkung von Marktgesetzen. Dass Konzerne an einem wirklich freien Markt interessiert seien, ist eine Mär. Kapital erfreut sich nicht an einem fairen Wettbewerb; es mogelt, betrügt, besticht, wo es kann, um sich einen Vorteil zu verschaffen, ohne seine Produkte verbessern zu müssen.
Der Souverän wird ausgeschaltet
Regierungen sind in einer Demokratie legitimiert durch das Wahlvolk, den Souverän. Diese Legitimation ist ständig auf dem Prüfstand.
Die Eingriffsmöglichkeiten des Souveräns sind allerdings sehr begrenzt. Er kann ausgewählte Politiker nicht wie ein Geschäftsführer jederzeit abmahnen und kündigen. Der Souverän kann auch keinen Einfluss auf die Arbeit der Politiker während der Legislaturperiode nehmen; die repräsentative Demokratie soll ihm die Beschäftigung mit Gesetzesentwürfen und Entscheidungen ja gerade abnehmen.
So führt dieses System zu periodischer Aktivität von Politikern: Zum Ende einer Legislaturperiode hin nähert sich Politik dem Wahlvolk mit Versprechungen an; während der Legislaturperiode hingegen ist die Politik entkoppelt vom Wahlvolk; Versprechen sind Geschwätz von Gestern, können wegen Koalitionspolitik nicht durchgesetzt werden oder fallen aktuellen Sachzwängen zum Opfer.
Dem steht in PPPs eine Konstanz gegenüber, die der Demokratie entgegengesetzt ist. Konzerne und ihre Lenker sind keine Volksvertreter. Sie sind nicht gewählt. Anders als Bürger haben sie in PPPs jedoch während der Legislaturperiode massiven Einfluss auf die Politik. Und das nicht einmal verstohlen wie beim Lobbyismus, sondern offen und prinzipiell.
Während sich das Wahlvolk mit Versprechungen alle paar Jahre zufriedengeben muss, können Konzerne in PPPs direkt und konkret Druck ausüben oder unwiderstehliche Angebote machen. Der Deal in PPPs ist aus Sicht der Konzerne: “Du erlaubst uns und wir stabilisieren dich.”
Regierungen haben also tatsächlich Macht, die Konzerne wollen bzw. fürchten. Deshalb schmeißen sie sich an die Politik ‘ran.
Konzerne andererseits scheinen für Regierungen das Unmögliche möglich zu machen: mehr Wohlstand für weniger Geld.
Was wie eine symmetrische Partnerschaft aussieht, halte ich letztlich jedoch für eine Unterwanderung zur Machtübernahme. Die Regierungen sind dabei die Ahnungslosen, die sich in ihrer Verzweiflung an das Kapital wenden. Sie glauben, die Kontrolle behalten zu können. Doch das ist, wie die Penetrationen des WWF zeigen, nur ein Übergangszustand. Konzerne haben den potenteren Willen zur Macht; sie haben das Geld.
Die Fassade einer Trennung von Regierung und Konzernen wird aufrechterhalten. Alles andere würde noch mehr Unfrieden beim Bürger auslösen. Ebenso wird die Fassade der Demokratie aufrechterhalten.
Dass eine Ausweitung der PPPs den Bürger letztlich zum Verlierer machen wird, scheint mir unausweichlich. Er ist in der Partnerschaft schlicht nicht vertreten.