R.I.P. Journalismus
Ich kann den Leitmedien nicht mehr vertrauen. Nach dem, wie sie sich verhalten haben in 2020/2021, sind sie für mich verbrannt, zumindest was politische Themen angeht.
Nicht nur Nachbarn, Freunde, Verwandte haben “ihre wahres Gesicht gezeigt”, als sie sich nun “mit dem Rücken an der Wand” empfunden haben. Auch und gerade die Medien haben gezeigt, was ihre Grundhaltung ist: die des Opportunisten.
Der eigentliche Auftrag der Presse bzw. deren, die “guten Journalismus” machen wollen, ist die Zugänglichmachung dessen, was jenseits des Horizonts des Normalbürgers ist. Journalismus erhellt, leuchtet aus und wirft Schlaglichter, d.h. stellt Kontraste her.
Seine Aufgabe ist nicht, die Wirklichkeit zu beschreiben. Dieser Anspruch steckt in der Formulierung “objektive Berichterstattung”. Doch das funktioniert nicht. Wirklichkeit lässt sich nicht einfach beschreiben; sie ist nicht ein für alle Mal erkennbar. Es gibt lediglich Perspektiven auf die Wirklichkeit, d.h. Meinungen und subjektive Wahrheiten.
Wenn eine Disziplin den Anspruch hat, Wirklichkeit zu beschreiben, dann ist das die Wissenschaft. Doch auch die Wissenschaft ist meistens nicht einer Meinung. Sie ist in ständigem Ringen begriffen, wie die Wirklichkeit noch genauer beschrieben werden kann. Bis da ein Endpunkt erreicht ist z.B. in Form eines Naturgesetzes, wo sich das überhaupt formulieren lässt, ist es jedoch ein langer Weg, der mit Kontroversen gepflastert ist.
Selbst in der Wissenschaft herrscht also meistens eine Meinungsgemengelage; Eindeutigkeit und Objektivität sehen anders aus. Umso mehr ist das der Fall, je weiter Wissenschaft sich von Physik und Chemie entfernt.
Journalismus als die Instanz, die die Welt zugänglich machen will, macht mithin ausschließlich dann einen guten Job, wenn er deren Vielfalt erhält. Das ist eine gewaltige Aufgabe, die der Journalismus natürlich auch bei größtem Anspruch nur unvollständig erfüllen kann. Was er allerdings in den vergangenen zwei Jahren sichtbar abgeliefert hat, ist erbärmlich. Für die Leitmedien war die Welt homogen. Es gab keine unterschiedlichen Perspektiven.
Nicht nur hat sich ein Leitmedium auf eine Perspektive festgelegt, nein, alle Leitmedien haben diese Perspektive geteilt. Das ist für mich klar im Widerspruch zum Auftrag des Journalismus und ist aus der Corona-Sache nicht zu erklären. Denn dass es nicht nur eine Perspektive gab, haben die alternativen Medien zur Genüge demonstriert.
Was hat den Journalismus zu diesem Verrat an seinem Anspruch getrieben? Darüber kann ich spekulieren. Letztlich macht es aber keinen Unterschied. Das Urteil kann nur lauten: Im Zweifelsfall - genauer: gerade, wenn man ihn am meisten braucht - ist der Journalismus ein Versager.
In der Corona-Krise konnte man es an seiner Perspektivarmut deutlich erkennen. Er hat also mindestens gefiltert, ohne dass es sein Auftrag gewesen wäre. Aber was ist darüber hinaus noch geschehen? Wenn er in dieser Weise schon so versagt hat, was hat er sich noch zu Schulden kommen lassen? Hat er gelogen? War er käuflich?
Alles lässt sich vermuten, ohne dass eine Entlastung in Sicht wäre.
Warum sollten diese Beweggründe dann nach der Corona-Krise oder in anderen Angelegenheiten, die mit einem Wertesystem zu tun haben, verschwunden sein? Ich sehe dafür keinen Anlass. Was den Journalismus in der Krise angetrieben hat, ist auch nach der Krise noch am Werk: dieselben Personen, dieselben Strukturen, dieselben Beziehungen.
Der Journalismus des 21. Jahrhunderts hat sein wahres Gesicht gezeigt. Er hat seinen Auftrag verraten. Er ist für mich nicht mehr ernst zu nehmen. Klimakrise, Russland-Berichterstattung, Innenpolitik, Auslandspolitik, auch Industrieberichterstattung... ich muss überall massive Filterung, Manipulation, Gefälligkeit vermuten. Die Leitmedien sind unglaubwürdig geworden. Endgültig.
Überraschend ist das im Grunde nicht. Denn worin bestand das Geschäftsmodell der Journalismus bisher? Medien sind Unternehmen, die Geld verdienen müssen. Wann hat sich aber zuletzt Geld mit Wahrheit und Vielfalt verdienen lassen?
Wenn allgemein gilt “sex sells”, dann gilt speziell für den Journalismus “emotion sells”. Journalismus ist damit gezwungen, das zu bringen, was zu einer Emotion führt, die mehr von ihm nachfragt. Das ist die Angst.
Krimis haben immer Hochkonjunktur. Also hat auch Angst schürender Journalismus immer Hochkonjunktur. Keine bessere Zeit für Journalismus als die Corona-Pandemie. Oder die Migrationskrise. Oder der Klimawandel.
Dass Journalismus sich dabei allerdings um die Wirklichkeit schert, die immer perspektivenbunt ist, ist nicht zu erwarten. Vielfalt, Differenziertheit, Komplexität bedienen die verkaufsnotwendigen Emotionen schlicht nicht.
#politik #gesellschaft