Natürlich muss die Helmpflicht für Radfahrer kommen. Weniger wäre Vernachlässigung der Fürsorgepflicht. Denn der erwachsene Bürger weiß nicht, was für ihn gut ist. Er kann und darf nicht selbst entscheiden.
Ein “sinnvoller Beitrag zur Verkehrssicherheit” soll die Helmpflicht sein? Wie denn das? Unter Verkehrssicherheit verstehe ich, wenn ein Verkehrsteilnehmer durch seine Handlungen einen anderen weniger wahrscheinlich schädigt. Beispiel: Licht an in der Nacht oder Blinker setzen beim Abbiegen oder Wimpel am Ende einer herausragenden Last hinter dem Fahrzeug.
Eine Helmpflicht für Fahrradfahrer hingegen schützt nicht andere Verkehrsteilnehmer. Der Vorteil liegt einzig vielleicht beim Helmträger. Insofern ist eine Helmpflicht kein Beitrag zur Verkehrssicherheit, sondern höchstens zur persönlichen Sicherheit. Sie ist auf Augenhöhe mit Profilsohlen unter Wanderschuhen oder Topfhandschuhen beim Kochen.
Wer mit Helmpflicht die Verkehrssicherheit meint zu erhöhen, unterliegt also einem Missverständnis — oder verfolgt eine ganz andere Agenda.
Ich nehme für Manja Schreiner und Guido Beermann allerdings beides an. Weil sie eine Agenda verfolgen, wollen sie nicht besser verstehen.
Und was ist die Agenda?
Wählergunst sammeln durch Fürsorge. “Wir sind besorgt um euch! Wir wollen euch schützen!” signalisieren sie mit ihrer Helmpflichtforderung.
Doch das ist nicht die Aufgabe von Politikern. Sie begreifen nicht, dass ihre heilige Pflicht als vermeintlich demokratische Politiker ist… die Freiheit und Selbstbestimmung der sie wählenden Bürger zu schützen und zu stärken.
Solange Deutschland noch demokratisch sein will — wozu es natürlich keine Pflicht gibt —, muss Freiheit gleich unter Würde ganz oben auf jedes Politikers Agenda stehen.
Demokratie bedeutet nicht, bevormundet zu werden von den gewählten Repräsentanten. Die sollen vielmehr für den Erhalt und die Mehrung der Freiheit und des Wohlstands sorgen. Selbstverantwortung und Selbstschutz machen den mündigen Bürger aus. Und nicht beides einschränken, wo immer die Politik meint.
Wie gesagt, es besteht keine Pflicht zum Leben in einer Demokratie. Niemand muss das wollen. Wer sich für etwas anderes entscheiden will, soll das gern tun. Nur soll man dann das andere nicht als Demokratie verkaufen.
Safety first! heißt es im Flugzeug, beim Fahrgeschäft auf dem Jahrmarkt oder beim Klettern. Das ist richtig so. Allerdings gehört dazu eine Prämisse: Wo Safety first! greift, habe ich entweder bewusst die Kontrolle darüber in einem sehr eng gesetzten Rahmen im Konsent mit einem Dienstleister aufgegeben. Oder ich entscheide mich in einer riskanten Situation sehr bewusst dafür, meine sonstige Freiheit dahingehend einzuschränken.
Safety first! ist immer meine Entscheidung. Beim Klettern sorge ich selbst dafür. Beim Urlaubsflug übernimmt die Fluggesellschaft die Verantwortung dafür. Der Grund: Ich selbst kann in der Situation nichts für meine Sicherheit tun. Anders ist es beim Kochen, Handwerkern oder im Straßenverkehr.
Ansonsten im Leben gilt aus gutem Grund nicht Safety first! Da wollen ganz andere Bedürfnisse befriedigt werden. Vor allem das Freiheitsbedürfnis. Um das geht es denn auch bei der Demokratie. Freie Meinungsäußerung, freie Lebensgestaltung. Einschränkungen so wenige wie irgend möglich und nur so viele wie absolut nötig. Dann können sich Menschen entfalten. Dann kann Wohlstand entstehen. Er kann emergieren aus Millionen unterschiedlicher Lebensentwürfe die Angebote schaffen und nutzen.
Dass einem Bürger vorgeschrieben würde, dass er sich schützen müsse, ist insofern anti-demokratisch. Es ist ein Eingriff in seine Selbstbestimmung. Es ist übergriffig. Ein Affront gegen seine Erwachsenheit.
Aber das interessiert eine vermeintlich demokratische Politik nicht. Vermeintlich, weil es ihr nicht um Demokratie geht, sondern… um Machterhalt. Dafür tut sie alles, was irgendwie die noch nötigen Wählerstimmen zusammenkratzen hilft.
Die Angst des vormaligen Demokraten davor, dass ihm etwas entgleitet in einer VUCA-Welt, ist riesig. Er fürchtet die Populisten wie der Teufel das Weihwasser. Deshalb greift er zur Einschränkung. Andere Meinungen — populistische — verbieten und freie Entscheidungen der Bürger einhegen. Der Bürger darf nicht “Gefährlichem” mehr ausgesetzt werden! Es könnte ihn auf die schiefe Bahn bringen. Das ist Ankettung aus politischem Selbstschutz.
Und so wird der bemühte Demokrat zum vermeintlichen und schließlich zum Anti-Demokraten. Der Demokrat verwandelt sich schleichend in das, was ihm doch so zuwider ist: einen Autokraten.
Ohne Impflicht, ohne Meinungskäfig, ohne Helmpflicht, ohne Rauchverbot, ohne Anschnallpflicht, ohne Krankenversicherungspflicht… ohne staatliche Regelung bis ins Kleinste geht es nicht mehr. Das gebieten — angeblich — Verantwortungsbewusstsein und Solidarität.
Aber nichts könnte ferner der Wahrheit sein.
Sic transit gloria mundi.