Slow Seizure of Power
Wie kommt man an die Herrschaft? Ein Coup ist ein beliebtes Mittel: der aktuelle Herrscher wird gestürzt. Das kann eine Minderheit tun in einem Putsch; das kann aber auch eine größere Gruppe tun mit einer Revolution.
Der Nachteil eines Coup ist allerdings, dass er in seiner Plötzlichkeit großen Widerstand hervorruft. Ein Coup geht nicht ohne Gewalt ab. So sieht schnelle Machtübernahme aus.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Coup längerfristig funktioniert, ist auch gering, glaube ich. Die Unruhe, die dabei entsteht, macht die Situation schwer beherrschbar. Und anschließend ist der große Widerstand im Untergrund; von dort stellt er eine ständige Belastung dar. Das ist nervig und teuer.
Deshalb scheint mir fast seizure of power genauso überholt wie fast food. Fast ist auf Dauer unbekömmlich.
Nicht umsonst gibt es inzwischen Gegenbewegungen: slow food, slow sex, slow life. Konsequent wäre es, bei der Machtübernahme ebenfalls auf slow zu setzen: slow seizure of power. Und die geht so:
Eine langsame Machtübernahme erfolgt nicht über Nacht, sondern über Generationen.
Solches Vorgehen wird schon dem Islam angedichtet, der angeblich Westeuropa durch eine höhere Geburtenrate aushöhlen will. Das nenne ich mal einen Plan!
Was gehört zu generationenübergreifender Machtübernahme?
Geduld! Man muss abwarten können, dass eine Generation heranwächst, für die die “neuen Werte” seit ihrer Geburt existieren. Sie kennt nur eine Welt, in der es ist, wie die neuen Herrscher es wollen.
Daraus folgt, dass die Zustände, die die neue Macht wünscht, nicht “im Blitzkrieg” über eine Gesellschaft gebracht werden, sondern in Inkrementen, also in kleinen Dosen, die jede für sich keine große Abwehrreaktion hervorruft. Ein bisschen Widerwille ist immer — aber wenn der unter einem Level bleibt, das die Ursache klar erkennen ließe, ebbt er wieder ab.
Um diese Inkremente zu implementieren, braucht es eine wachsende Zahl an Unterstützer. Ein “evil mind” kann das von seiner geheimen Insel aus nicht durchsetzen. Diese Unterstützer zu rekrutieren, braucht auch Zeit. Unmittelbare Vorteile/Reichtümer können nicht versprochen werden. Es geht also nicht um Söldner, sondern echte Promotoren. Die müssen herangezüchtet werden in mühevoller Handarbeit. Auch bei denen darf ja keine Abwehrreaktion einsetzen; sie entstammen ja zunächst noch einer alten, zu überwältigenden Welt. Deshalb sind Promotoren bevorzugt jüngere Menschen, die noch mit einem anderen Denken beeindruckt werden können und Entwicklungspotenzial haben.
Eine solche Strategie geht kurzfristig in die Breite: Ausbildung der Promotoren und Multiplikatoren. Langfristig geht sie in die Tiefe: Die Umwertung der Werte erfolgt von den Jüngeren zu den Älteren.
Letztlich schließt die Machtübernahme jedoch erst ab, wenn die Widerständigen “herausgewachsen” sind: Sie sterben einfach mit der Zeit weg. Konversionen werden gern angenommen, aber wer sich nicht konvertieren lassen will, der muss auch nicht — der Machtübernehmende kann darauf warten, dass die Störrigkeit mit dem Tod endet. Wer Zeit hat, spart dadurch viel Aufwand.
Ein langsamer Machtwechsel ähnelt insofern einem Paradigmenwechsel in der Wissenschaft. Thomas Kuhn hat dazu in Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen schon konstatiert, dass manch neues Paradigma den Tod der Verfechter seines Vorgängers abwarten musste.
Also: Wer eine solide Machtübernahme will, sollte Zeit mitbringen. Wer darauf warten kann, dass Widerstand einfach aus der Bevölkerungspyramide nach oben hin “ausdampft”, der spart viel Aufwand und schafft eine solidere Basis.
Gibt es Akteure auf der Weltbühne, die eine slow seizure of power betreiben? Ich bin gewiss. Den Islam rechne ich allerdings nicht dazu.
Wie erkennt man diese Akteure? An ihrem Fokus auf tendenziell jüngere Menschen. Sie geben sich mit “alten Säcken” gar nicht erst ab. Mit denen kommen sie irgendwie zurecht — bis sich deren ewige Gestrigkeit erledigt hat.
Wer schon älter ist, kann sich insofern vielleicht trösten: Nicht alles, was zu fürchten wäre, wird noch in der Lebenszeit implementiert. Vielleicht liegt darin sogar ein Trost des Todes?