Vom Verlust der Flexibilität
Ich hatte bereits in mehreren Beiträgen darüber geschrieben, wie wir schon in früher Kindheit in unserer Entfaltung gehemmt werden. Wo wir hinschauen: Vorschriften, Regeln und Bestimmungen. Schule und Ausbildung bringen keine freien Menschen hervor, sondern vor allem brave, obrigkeitshörige Staatsbürger.
In den Dialogen von 2021 zwischen Ralf und mir hatten wir bereits festgestellt, dass Schulen nichts anderes als Bürgerzüchtungsanstalten. Alles, was uns an Entdeckungsdrang von Natur aus gegeben war, ist maximal noch in abgestumpfter Form existent. Warum? Weil uns stets gesagt wurde, was “man” tun darf oder sollte und was nicht.
Wir kommen oft Dingen nach, die wir nicht machen wollen, aber glauben tun zu müssen, weil es von uns erwartet wird. Egal von wem: ob von der Gesellschaft, dem Arbeitgeber, Eltern oder Freunden. Es ist eine Art der Gefangenschaft. Den meisten Menschen fällt es offensichtlich schwer, sich davon loszusagen, weil sie Angst haben, schräg angesehen zu werden oder einfach nicht dazuzugehören.
Wir hatten, wie schon gesagt, das Thema persönliche Freiheit bereits oft diskutiert. Wer unseren Dialog noch nicht kennt bzw. gelesen hat, den empfehle ich an dieser Stelle gerne einmal draufzuschauen.
Ich glaube, der erste Schritt in die Freiheit ist, wie sooft im Leben, die Erkenntnis. Damit meine ich, ich muss mich unfrei und eingeschränkt fühlen, um überhaupt Handlungsbedarf zu erkennen. Wenn ich mich bedingt durch die andauernde Indoktrination und Manipulation wohlfühle und glaube, dass es vollkommen in Ordnung ist, dass ein Teil der Menschen tun und lassen kann, was er will und sich der andere Teil unterordnen und in Abhängigkeit begeben muss, dann gibt es zwei Möglichkeiten:
Ich habe mich mit der Rolle des unfreien Untertans abgefunden und resigniert.
Oder ich denke nochmals darüber nach, ob ich möglicherweise
a) nur Lebenszeit absitze
b) nicht wirklich die Dinge tue, die ich gerne tun würde
c) nur die Regeln anderer befolge, um nicht aufzufallen.
Komme ich zu der Erkenntnis, dass ich unfrei bin, ist das Leben nicht verloren. Ich habe es immer noch selbst in der Hand. Ralf hatte mal sehr treffend über den Verlust der Flexibilität durch die Materialisierung des Geldes geschrieben. Und das ist genau der Punkt, den jeder von uns selbst in der Hand hat.
Das heißt, jeder von uns hat grundsätzlich die Möglichkeit, sich selbst zu befreien. Ich kann mich aus eigener Kraft der Last entbinden, die mich unbeweglich und abhängig macht. Wir meinen stets, dass der Lebensinhalt darin bestehen müsste, starre unbewegliche Dinge zu erwerben. Die Belohnung für die Mühe, Dinge zu ertragen, die wir nicht wirklich aus freien Stücken tun, liegt im Konsum. Sozusagen im Horten von Konsumgütern.
Damit nehmen wir uns am Ende selbst die Flexibilität frei zu entscheiden, wohin wir gehen. Die Indoktrination ist darauf ausgerichtet, Menschen vom System abhängig zu machen. Es ist eine geschickte Verkettung von Lebensereignissen, die Menschen in diese Endlosschleife der Abhängigkeiten befördert, bis wir merken, dass wir arbeiten müssen, um die selbst geschaffenen Verbindlichkeiten zu bedienen, die uns paradoxerweise die Flexibilität genommen haben.
Flexibilität ist ein Grundbaustein der Freiheit. Verfüge ich über finanzielle Mittel, die ich nicht in stationäre Dinge investiert habe, bin ich flexibel. In dieser Konstellation bin ich dann wiederum frei zu entscheiden, wo ich hingehe und was ich tun möchte.
Ich nehme mich hier keinesfalls aus. Auch ich habe Dinge angeschafft, die ich nie brauchte oder selten benutzte. Sie sind wertloser Ballast, der mich meiner Leichtigkeit beraubt. Besitz bindet und muss irgendwie verwaltet werden. Viele Menschen binden sich mit ihrem Besitz an einen Ort, den sie nach ihrer Vorstellung nicht mehr verlassen können. Sie haben ihr Leben lang gearbeitet, um sich diesen Wohlstand zu erschaffen. Es ist eine scheinbare Befriedigung, Dinge sein eigen zu nennen. Ich habe keine Ahnung, wo das herkommt, kann mir aber gut vorstellen, dass das Teil von Verkaufsstrategien ist.
Oft hörte ich schon den Satz:
“Gib lieber mehr Geld aus und kaufe etwas Ordentliches. Das hast du ein Leben lang.”
Ein pauschaler Satz, der aber sehr gut eine tief verankerte Denkweise widerspiegelt. Verdiene Geld, um es in haltbare Dinge zu investieren. Es ist aber kein Investment, sondern der Weg in Abhängigkeit. Ich glaube, je mehr Geld in Anschaffungen fließt, desto schwieriger wird es im Regelfall, es einfach aufzugeben und hinter sich zu lassen. Es entsteht eine Art Selbstverpflichtung, dem materialisierten Geld gegenüber.
Als ich noch sehr jung war, fand ich den Gedanken, in einem Hotel zu leben, wirklich reizvoll. Ich habe es nie getan, weil ich damals nicht selbstbewusst war, stets das direkt umzusetzen, was mir vorschwebte. Mit dem Wissen von heute würde ich es sicher sofort tun.
Erzählte ich jemand von dieser Vorstellung, wurde diese geradewegs als vollkommen absurd abgetan: “Das ist doch viel zu teuer. Die Möbel kaufst du einmal und hast sie immer. Du musst doch auch mal an später denken, Junge.”
Naja, was dabei offensichtlich stets vergessen wird, ist, dass es Menschen wie mich gibt, die gerne alles, was sie wirklich brauchen, in zwei bis drei Koffern packen können wollen. Ich möchte nicht von einem Ort abhängig werden und nur wegen der einst erworbenen Dinge meine Flexibilität verlieren.
In einem Hotel oder einem Airbnb Apartment sehe ich eine Unmenge Vorteile:
Ich kann jederzeit den Ort wechseln. Das bietet sich gerade dann an, wenn die Arbeit remote ausgeführt werden kann.
Ich besitze nichts, was mich an einen Ort bindet und dadurch meine Unabhängigkeit und Reisefähigkeit behindert.
All diese lästigen Dinge wie Reparaturen usw. interessieren mich nicht die Bohne.
Wie dem auch sei, all dies ist eine sehr persönliche Sicht auf das Leben.
Im Grunde ist es für mich eine wichtige Erkenntnis der letzten Jahre gewesen, dass die Umwandlung von Geld in materielle, stationäre Dinge die oft gewünschte Flexibilität nimmt. Nicht selten höre ich Sätze wie diesen: “Ach, ich würde auch gerne woanders hingehen, wenn ich nur nicht das Haus hätte.”
Klar, es gibt immer einen Grund, Dinge nicht zu tun. Loslassen ist schwierig, aber gleichzeitig die wichtigste Maxime, wenn ich daran denke, dass das Leben sowieso endlich ist. Mit dieser Erkenntnis wird nämlich klar, dass wir keine Dinge für die Ewigkeit brauchen. Schon gar nicht, wenn dabei vergessen wird, das Hier und Jetzt richtig zu genießen und auszukosten. Nur das zählt am Ende. Ist doch egal, ob das anderen passt oder nicht.