Kennt ihr das? Es gibt Dinge, die einige Menschen einfach vollkommen übertrieben thematisieren. Dabei ist der Kern gar nicht verkehrt, aber das Mittel ist unangebracht und die Protagonisten sind nicht sonderlich vertrauenswürdig.
Jeder von uns ist einzigartig. Jeder von uns hat Stärken und Schwächen. Jeder hat seine Wünsche, Träume und die eigene Vorstellung vom Leben. Das ist absolut natürlich. Schaut euch die Blätter eines Baums an. Keines wird dem anderen gleichen. Die Entfaltung des Individuums funktioniert am besten, wenn jeder in der Gesellschaft frei, selbstbewusst und offen ist. Persönliche Stärke schafft die Möglichkeit, auch unterschiedliche Sichten und anderes Aussehen zu respektieren.
Die Vorstellung einer perfekten Gesellschaft prägte mein Leben lang die Ansicht, dass wir ein Grundrecht auf individuelle Freiheit und Persönlichkeitsentwicklung besitzen müssen. Irgendwie haben wir das, aber wir haben es auch nicht. Wir besitzen die erforderliche Freiheit, wenn es uns gelingt, die vorgegebenen Pfade zu verlassen. Einfach den eigenen Weg zu gehen. Das tun leider nur die wenigsten. Warum? Weil die Programmierung auf das Gleichsein, Unauffälligkeit, das Nicht-Aus-Der-Reihe-Tanzen und das Ausleben der Möglichkeiten im gesellschaftlich akzeptierten Rahmen schon im Kindesalter beginnt.
Obwohl unser gesamtes westliches Bildungssystem auf Gleichmacherei ausgelegt ist und nur das Ziel verfolgt, folgsame, wenig eigenständige Diener des Systems hervorzubringen, machen sich einige zweifelhafte Protagonisten aktuell für Diversität stark. Das macht mich sehr stutzig. Es kann ihnen dabei keinesfalls um selbstständig freidenkende Menschen gehen. Wie wir in den letzten Monaten alle am eigenen Leib erfahren mussten, sind die Regierungen dieser Erde sehr wohl in der Lage, andere Meinungen zu unterdrücken und notfalls mit Gewalt zum Schweigen zu bringen. Wie kann man dann ernsthaft im selben Atemzug für Vielfalt und Toleranz werben? Leiden Politiker und ihre Lakaien etwa unter einer fatalen Wahrnehmungsstörung?
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Vielfalt und damit verbundene Akzeptanz und Toleranz, die ich meine, stark von der politisch und medial getriebenen unterscheidet. Ihnen wird es mit Sicherheit darum gehen, dass sie festlegen, was Mannigfaltigkeit ist. Sie geben vor, was ins Bild passt und was nicht oder vielmehr was politisch korrekt und erwünscht ist. Sie entscheiden, wer dazu gehört und wer nicht. Und damit tun sie wieder einmal das Gegenteil von dem, was sie propagieren. Wenn Politiker so etwas steuern, geht es darum, dass Denken von Menschen zu beeinflussen und zu lenken, Quoten zu schaffen und Individualisten, die sich nicht der kollektivistischen Anschauung unterordnen, zu diffamieren.
Ich bin zu 100 % der Meinung, dass wir dringend Lösungen für mehr Toleranz in der Gesellschaft benötigen. Dies muss aber durch Bildung geschehen, die eine freie Entfaltung der Persönlichkeit und Förderung von Stärken ermöglicht. Für Menschen mit einem gesunden Verstand, genügend Selbstvertrauen und einem starken ICH wird es nur selten ein Problem mit anderen Meinungen, Andersdenkenden, anderen Kulturen, anderem Aussehen und Herkunft geben.
Es ist aber absurd, wenn die Forderung gerade aus der faschistoiden Alles-Rechts-Was-Nicht-In-Mein-Weltbild-Passt Ecke kommt, die sich selbst für ach so tolerant hält, aber jeden Tag aufs Neue die Auffassung der Andersdenkenden brutal mit Füßen tritt.
Ja, einerseits mehr Toleranz. Andererseits aber auch: klare Grenzen. Ohne Grenzen keine Identität. Wie geht das zusammen?
Ich würde sagen: Solange es nur um Toleranz geht, ist das, was toleriert wird, nicht teil der Identität. Wer tolerant ist, könnte auch das andere unterdrücken, hält sich jedoch zurück. Und Toleranz ist nicht Akzeptanz und schon gar nicht Wertschätzung.
Also: Mehr Toleranz? Ja, ich denke schon. Z.B. tolerieren, dass Menschen sich komplett verhüllen. Dagegen muss man eben nicht vorgehen, weil man sich das für sich selbst nicht vorstellen kann.
Gleichzeitig kann mit Toleranz aber auch eine Grenze gezogen werden: "Mach du dein Ding - aber lass mich damit in Frieden."
Mit Tolerant umarme ich eben nicht alles und mache es zu meinem. Mit Toleranz bleibe ich auf Abstand und kann meine Identität bewahren.