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Zuerst war ich verwundert, dass du den Beitrag hier veröffentlicht hast; die Überschrift schien so spezifisch auf Software abzuzielen. Doch letztlich Beschreibst du ein Symptom eines Systems. Denn was bei einer Software in Form einer "Featureitis" passiert, also einem Überladen mit Funktionen und Optionen - bei Wordpress kann ich das sehr gut nachvollziehen und habe mich schon länger davon verabschiedet -, ist bei "Hardware-Produkten" auch zu sehen - nur anders.

Nehmen wir das Beispiel Deostift: die Neutralisation von Schweißgeruch ist zur Steigerung der "Anschlussfähigkeit" an andere ein durchaus naheliegender Wunsch. Dafür eine Lösung zu entwickeln, ist eine würdige Herausforderung für Unternehmen. Aber wie viele verschiedene Lösungen sind wirklich hilfreich (für die Gesellschaft)? Sie mögen sich ja in Effektivität (Schutz hält länger oder kürzer) und Zutaten (natürlich vs künstlich) und Bedienung (Stift vs Zerstäuber) und Preis unterscheiden. Über die Zeit würde ich eine Konvergenz hin Richtung längerem Schutz mit natürlicheren Zutaten zu geringerem Preis erwarten. Und das ist es dann. Aber die Regale in der Drogerie sehen ganz anders aus. Wahnsinn, was da angeboten wird! Nicht nur wird von Hersteller zu Hersteller variiert, auch derselbe Hersteller variiert. Ein Modell des Produktes kann nicht so aufgeladen werden wie bei Software, deshalb werden viele, viele verschiedene Modelle hergestellt. Dito bei Zahnpasta oder Autos usw.

Noch schlimmer bei der Kleidung! Dort kommt die Mode hinzu.

Von Innovation kann nicht gesprochen werden. Es geht um kleine Veränderungen, die einen neuen Kaufanreiz bieten sollen. Die Veränderung verspricht Verbesserung - was aber eine Illusion ist.

Was ist hier das Problem? Das Geschäftsmodell. Und unter dem Geschäftsmodell das Weltbild, er Denkrahmen, das System.

Es gibt wenige, die ein "perfektes" Produkt erschaffen haben, das über Jahrzehnte nicht verändert werden muss, nein, sogar nicht verändert werden darf, um damit Geld zu verdienen. Beispiele: Nutella, Coca Cola, Capri Eis😁

Wer Rohstoffe fördert, muss sich wenig Gedanken machen. Das Produkt ist klar, was bleibt, ist eine Verbesserung der Förderung. Alle anderen aber sind im Wettbewerb gezwungen, am Produkt "rumzuschrauben". Irgendwie. Am besten wären Innovationen. Doch die sind so schwer zu finden. Die meisten Produkte sind schon lange gut genug (oder ohnehin unnötig). Also muss man die Illusion von Innovation, von Verbesserung erzeugen. Veränderung wird mit Verbesserung gleichgesetzt.

So wertvoll die Markwirtschaft ist, um zu Verbesserungen anzuregen, sie selbst kennt ja keine Grenze. Außerdem ist der Kundengeist unruhig. Der will mit mehr bedient werden. Deshalb springt er so leicht auf Veränderung an, auch wenn sie keine Verbesserung darstellt.

Es ist wirklich eine Kunst, ein gutes Leistungsniveau zu erreichen und dann dort zu bleiben, ohne in einen Veränderungswahn zu fallen.

Zur Ehrenrettung von Wordpress sei gesagt: Ich glaube, ein guter Teil des Problems mit WP besteht gar nicht in WP, sondern in den Plugins. Die Offenheit als Kernfeature von WP, ist WP am Ende zum Verhängnis geworden.

Auf die einzelnen Plugins kann sogar passen "Do one thing and do it well." Doch im Zusammenspiel ergibt sich Komplexität und Schwerfälligkeit der Gesamtlösung.

One-size-fits-all Lösungen, die alles selbst machen wollen, scheinen mir problematischer, zb Outlook oder MS Teams. Ich tendiere mehr zu best-of-breed. Genauso tendiere ich dazu, Produkte, die für mich gut genug sind, wieder zu kaufen, zb Schuhe von Scarpa oder Ajona Zahncreme🙄 Das Angebotsfeuerwerk im Laden ficht mich deshalb weniger an.

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