Du argumentierst, dass ein stetig wachsendes Nettoeinkommen zur Abwanderung großer Teil der Bevölkerung führt. Womit belegst Du diese These?
Dein persönliches Beispiel zeigt doch eher, dass Dir Dein Nettoeinkommen nicht hoch genug war und Du daher ausgewandert bist.
Auch ich habe nur ein persönliches Gegenbeispiel: Ich zahle gerne Steuern (und ähnliche Abgaben) weil ich sehe, was der Staat dafür leistet (Kindergärten, Schulen, Verkehrsinfrastruktur, Sozialsystem) und das letzte, was mich zu einem Ortswechsel treibt, ist ein zu hohes Nettoeinkommen.
Womit begründe ich meine "These"? Ich schaue mir die Reichen an, die Häuser in aller Welt haben und ihre Wohnsitze verlegen. Ich schaue mir die Armen an, die in ihrer Verzweiflung ihr Heimatland verlassen. Für Letztere müssen wir gar nicht in Kriegsgebiete schauen (Irak, Syrien); es reichen Nachbarn wie Rumänien, Bulgarien.
Motiviert hat mich zu dem Artikel ein verlorener Reiningungsmitarbeiter auf dem Frankfurter Bahnhof. Bei dessen Ansicht habe ich gedacht: Der kann nicht anders. Er muss diesen Job machen und damit verdient er gerade so viel, dass er immobil bleibt. Und dann habe ich überlegt, ob das nur für diesen Mann gilt. Nein! Es gilt für eine Freundin, die vom Bürgergeld leben muss und Freunde mit Beamtengehalt. Sie allen bekommen gerade so viel, dass sie ruhig sitzen bleiben, egal, was die Regierung gerade so treibt.
Wir sind nicht ausgewandert, weil das Einkommen nicht gestimmt hat. Wir hatten kein echtes Steuerproblem trotz Höchstsatz. Ich hab die Steuern gezahlt, ein wenig mit dem Zähnen geknirscht, aber es war ok. Nein, wir haben uns am System gestört. Die Schlinge um Selbstständige hat sich immer enger gezogen: Gewerbesteuer zahlen ja oder nein? In die Rente zahlen ja oder nein? Es gab erstens Rechtsunsicherheit, denn keiner konnte verlässlich (!) sagen, ob oder ob nicht. Zweitens empfanden wir die Möglichkeit, doch zahlen zu müssen, als unfair. Unfair, weil Gewerbesteuer nach Gusto des jeweiligen FA-Mitarbeiters gezahlt werden muss. Unfair, weil wir für das Alter selbst vorgesorgt haben und die Linie bei den Berufen, welche einzahlen sollen und welche nicht, völlig willkürlich verläuft. Das ist für uns kein klares (Steuer)Rechtssystem. Zudem der vernachlässigende Umgang des Staates mit Ressourcen/Infrastruktur. Die Bahn ist da noch das kleinste, wenn auch ein prominentes Problem. Wo so viele Steuern gezahlt werden müssen, da erwarten wir einen anderen Service.
Wir sind also ausgewandert, nicht für mehr Geld, sondern wegen des Geldes, was wir haben. Wir sind mobil gewesen und haben das genutzt. Wir haben unser Leben optimiert durch Auswanderung. Dass wir jetzt weniger Steuern zahlen und weniger Lebenshaltungskosten haben, ist ein schöner Effekt, aber nicht Motivation. Das Preisleistungsverhältnis stimmt jetzt einfach: wenig Steuern = weniger Leistung bei der Infrastruktur. Dafür werden wir sehr in Ruhe gelassen. Wir sind fein mit weniger Leistung. Wir brauchen nicht das überteuerte Gesundheitswesen in Deutschland; das in Bulgarien reicht uns. (Wir haben es gerade ausprobiert im Rahmen einer ersthaften Erkrankung und alles ist genauso gut oder gar besser als in Deutschland gelaufen für deutlich geringere Kosten.)
Wenn es dir in Österreich (?) gefällt, ist alles wunderbar. Bulgaren können wir kaum klar machen, dass wir aus ihrem Traumland Deutschland weggezogen sind. Die Bedürfnisse sind halt andere. Jeder muss halt für sich selbst schauen.
Aber ich unterscheide zwischen denen, die eine Wahl haben und denen, die keine haben. Nur wer eine Wahl hat, wer die Mobilität (finanziell wie emotional) besitzt, kann auch wählen. Alle anderen können nicht - und laufen Gefahr, sich in Unzufriedenheit einzurichten.
Mein Plädoyer ist für Erhalt der Mobilität. Vom Nationalstaat darf man da nur keine Unterstützung erwarten. Er legt eher Steine in den Weg, siehe Wegzugbesteuerung.
Hallo Ralf,
Du argumentierst, dass ein stetig wachsendes Nettoeinkommen zur Abwanderung großer Teil der Bevölkerung führt. Womit belegst Du diese These?
Dein persönliches Beispiel zeigt doch eher, dass Dir Dein Nettoeinkommen nicht hoch genug war und Du daher ausgewandert bist.
Auch ich habe nur ein persönliches Gegenbeispiel: Ich zahle gerne Steuern (und ähnliche Abgaben) weil ich sehe, was der Staat dafür leistet (Kindergärten, Schulen, Verkehrsinfrastruktur, Sozialsystem) und das letzte, was mich zu einem Ortswechsel treibt, ist ein zu hohes Nettoeinkommen.
Vielen Dank für diesen Gedankenstrom ;-)
Görge
Womit begründe ich meine "These"? Ich schaue mir die Reichen an, die Häuser in aller Welt haben und ihre Wohnsitze verlegen. Ich schaue mir die Armen an, die in ihrer Verzweiflung ihr Heimatland verlassen. Für Letztere müssen wir gar nicht in Kriegsgebiete schauen (Irak, Syrien); es reichen Nachbarn wie Rumänien, Bulgarien.
Motiviert hat mich zu dem Artikel ein verlorener Reiningungsmitarbeiter auf dem Frankfurter Bahnhof. Bei dessen Ansicht habe ich gedacht: Der kann nicht anders. Er muss diesen Job machen und damit verdient er gerade so viel, dass er immobil bleibt. Und dann habe ich überlegt, ob das nur für diesen Mann gilt. Nein! Es gilt für eine Freundin, die vom Bürgergeld leben muss und Freunde mit Beamtengehalt. Sie allen bekommen gerade so viel, dass sie ruhig sitzen bleiben, egal, was die Regierung gerade so treibt.
Wir sind nicht ausgewandert, weil das Einkommen nicht gestimmt hat. Wir hatten kein echtes Steuerproblem trotz Höchstsatz. Ich hab die Steuern gezahlt, ein wenig mit dem Zähnen geknirscht, aber es war ok. Nein, wir haben uns am System gestört. Die Schlinge um Selbstständige hat sich immer enger gezogen: Gewerbesteuer zahlen ja oder nein? In die Rente zahlen ja oder nein? Es gab erstens Rechtsunsicherheit, denn keiner konnte verlässlich (!) sagen, ob oder ob nicht. Zweitens empfanden wir die Möglichkeit, doch zahlen zu müssen, als unfair. Unfair, weil Gewerbesteuer nach Gusto des jeweiligen FA-Mitarbeiters gezahlt werden muss. Unfair, weil wir für das Alter selbst vorgesorgt haben und die Linie bei den Berufen, welche einzahlen sollen und welche nicht, völlig willkürlich verläuft. Das ist für uns kein klares (Steuer)Rechtssystem. Zudem der vernachlässigende Umgang des Staates mit Ressourcen/Infrastruktur. Die Bahn ist da noch das kleinste, wenn auch ein prominentes Problem. Wo so viele Steuern gezahlt werden müssen, da erwarten wir einen anderen Service.
Wir sind also ausgewandert, nicht für mehr Geld, sondern wegen des Geldes, was wir haben. Wir sind mobil gewesen und haben das genutzt. Wir haben unser Leben optimiert durch Auswanderung. Dass wir jetzt weniger Steuern zahlen und weniger Lebenshaltungskosten haben, ist ein schöner Effekt, aber nicht Motivation. Das Preisleistungsverhältnis stimmt jetzt einfach: wenig Steuern = weniger Leistung bei der Infrastruktur. Dafür werden wir sehr in Ruhe gelassen. Wir sind fein mit weniger Leistung. Wir brauchen nicht das überteuerte Gesundheitswesen in Deutschland; das in Bulgarien reicht uns. (Wir haben es gerade ausprobiert im Rahmen einer ersthaften Erkrankung und alles ist genauso gut oder gar besser als in Deutschland gelaufen für deutlich geringere Kosten.)
Wenn es dir in Österreich (?) gefällt, ist alles wunderbar. Bulgaren können wir kaum klar machen, dass wir aus ihrem Traumland Deutschland weggezogen sind. Die Bedürfnisse sind halt andere. Jeder muss halt für sich selbst schauen.
Aber ich unterscheide zwischen denen, die eine Wahl haben und denen, die keine haben. Nur wer eine Wahl hat, wer die Mobilität (finanziell wie emotional) besitzt, kann auch wählen. Alle anderen können nicht - und laufen Gefahr, sich in Unzufriedenheit einzurichten.
Mein Plädoyer ist für Erhalt der Mobilität. Vom Nationalstaat darf man da nur keine Unterstützung erwarten. Er legt eher Steine in den Weg, siehe Wegzugbesteuerung.